Seit der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) v. 12.02.2020 (B 6 KA 1/19 R) steht (eigentlich) fest, dass zMVZ für jeden vollen Versorgungsauftrag, den es zu erfüllen hat, auch einen Assistenten in Vollzeit beschäftigen können.
Nichtsdestotrotz scheint manche Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) bemüht, den MVZ Steine in den Weg zu legen.
So verweigerte eine KZV die Genehmigung eines Vorbereitungsassistenten unter Verweis auf die eigene Satzung i. V. m. den Assistenten-Richtlinien, nach denen der angestellte Zahnarzt, dem die Assistenz zugeordnet werden sollte, für die Dauer von mindestens einem Jahr der zahnärztliche Leiter eines MVZ oder bereits mindestens ein Jahr in eigener Praxis niedergelassen gewesen sein müsse, um überhaupt einen Assistenten einbinden zu dürfen. Hingegen waren solche Beschränkungen für freiberuflich tätige Zahnärzte nicht vorgesehen.
Eine MVZ GmbH wehrte sich gegen diese Ablehnung und bekam vor Gericht Recht (SG Marburg, Gerichtsbescheid vom 17.03.2021 – S 12 KA 373/20).
Das Gericht führt aus, dass das BSG zwar besondere Anforderungen für den Ausbilder für zulässig erachte, solche seien aber fachlicher Art und nicht statusabhängig.
Zudem habe das BSG klargestellt, dass auch hinsichtlich besonderer vertragszahnarztrechtlicher Anforderungen keine Unterschiede zwischen Vertragszahnärzten, vertragszahnärztlichen Leitern eines MVZ und angestellten Zahnärzten bestehen.
Anhand der Gesetzgebungsgeschichte und der aktuellen Rechtslage könne nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass die Vorbereitungszeit ausschließlich dazu dient, den Zahnarzt auf die Tätigkeit in freier Niederlassung vorzubereiten. Auch in der vertragszahnärztlichen Versorgung steht die Tätigkeit als angestellter Zahnarzt bei einem Vertragszahnarzt oder einem MVZ gleichberechtigt neben der Tätigkeit als Vertragszahnarzt. Von daher müsse die Vorbereitungszeit den Zahnarzt befähigen, die zahnärztliche Tätigkeit im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung sowohl in selbständiger als auch angestellter Position auszuüben.
Die Vorbereitungszeit der Zahnärzte diene in erster Linie der Vertiefung der zahnmedizinischen Kenntnisse und des Erlernens der Tätigkeit unter den Bedingungen des Vertragszahnarztrechts, da sie vor der Aufnahme einer vertrags(zahn)ärztlichen Tätigkeit keine obligatorische Weiterbildung wie die Ärzte absolvieren müssen.
Die KZV wäre daher verpflichtet gewesen, die beantragte Genehmigung zu erteilen. Die Ablehnung war rechtswidrig.
Das Sozialgericht Marburg bestätigte mit einem (nicht rechtskräftigen) Gerichtsbescheid (vom 06.04.2021 – S 12 KA 116/19) die Entscheidung der Zulassungsgremien, einem Vertragsarzt wegen „gröblicher Pflichtverletzung“ die Zulassung zu entziehen, gegen den in Bezug auf implausible Abrechnungen (zeitbezogene Plausibilitätsprüfung) im Ärztlichen Bereitschaftsdienst über 1 Mio. Euro Regressforderungen geltend gemacht werden. Insbesondere sei kein (denkbar positiv zu bewertendes) Wohlverhalten festzustellen gewesen.
Was war passiert?
Der Vertragsarzt war als Hausarzt in Berufsausübungsgemeinschaft auch und insbesondere im Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in verschiedenen Städten tätig.
Der vorgeworfene Abrechnungsbetrug ergab sich aus Sicht der KV u. a. aus einer unter keinem Blickwinkel nachvollziehbaren Anzahl von Patienten, die sowohl in der Berufsausübungsgemeinschaft, bezogen auf den Arzt selbst, als auch in den ÄBD-Zentralen behandelt und abgerechnet worden seien (sog. Patientenidentitäten). Auch sei eine implausible Anzahl von Patientenidentitäten zwischen und unter den einzelnen ÄBD-Zentralen festgestellt worden. In allen Quartalen habe sich der Befund ergeben, dass in vielen Fällen, in denen Patienten in mehreren ÄBD-Zentralen behandelt worden seien, das Einlesedatum der Versichertenkarte an lediglich einem bestimmten Tag stattgefunden habe, die abgerechneten Behandlungen in den unterschiedlichen ÄBD-Zentralen jedoch an verschiedenen Tagen. Weiter habe der Arzt eine Vielzahl von Abrechnungen für Daten vorgelegt, an denen er keinen oder in der betreffenden ÄBD-Zentrale keinen Dienst verrichtet habe. Ebenfalls seien in einer Vielzahl von Fällen Versichertenkarten von demselben Patienten in mehreren ÄBD-Zentralen, teilweise bis zu fünf ÄBD-Zentralen, eingelesen und abgerechnet worden.
Daraufhin entzog der Zulassungsausschuss dem Vertragsarzt auf Antrag der KV die Zulassung, die Entscheidung wurde durch den Berufungsausschuss bestätigt.
Was sagt das Gericht?
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, auf die sich auch das Sozialgericht bezieht, ist eine Pflichtverletzung „gröblich“, wenn sie so schwer wiegt, dass ihretwegen die Entziehung zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung notwendig ist. Davon ist dann auszugehen, wenn durch sie das Vertrauen der vertragsärztlichen Institutionen in die ordnungsgemäße Behandlung der Versicherten und in die Rechtmäßigkeit der Abrechnungen durch den Vertragsarzt so gestört ist, dass ihnen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertragsarzt nicht mehr zugemutet werden kann. Nicht erforderlich ist, dass den Vertragsarzt ein Verschulden trifft; auch unverschuldete Pflichtverletzungen können zur Zulassungsentziehung führen.
Diese Tatbestandsmerkmale sah das Gericht als erfüllt an.
Auch ein „Wohlverhalten“ liege nach Auffassung der 12. Kammer nicht vor. Ein solches – so das Gericht – setzt, um eine vertragsärztliche Zulassungsentziehung zu vermeiden, mehr voraus, als lediglich keine weiteren Pflichtverstöße zu begehen. Der Vertragsarzt muss aktiv an der Aufklärung der Verfehlungen, der Schadensbegrenzung und Schadensregulierung mitwirken. Überlässt es der Vertragsarzt den Zulassungs- und Prüfgremien sowie der KV, den Schaden allein im Rahmen deren Amtsermittlungspflicht festzustellen, so fehlt es an einem „Wohlverhalten“. Soweit der Vertragsarzt in die Lage gerät, sich auch im Hinblick auf laufende Strafverfahren selbst zu beschuldigen, steht es ihm frei zu entscheiden, in welchem Umfang er mitwirkt. Die Zulassungsgremien und Gerichte können aber sein (fehlendes) Mitwirken unabhängig davon frei bewerten.
Wichtig ist, dass eine Prüfung des Wohlverhaltens nach der neueren BSG-Rechtsprechung im Gerichtsverfahren über die Zulassungsentziehung nicht mehr stattfindet. (Zeitlich) Nach der Entscheidung des Berufungsausschusses liegende Umstände – wie eine Änderung des Verhaltens – können nur in einem Verfahren auf Wiederzulassung gewürdigt werden.
Es kommt also darauf an, was der Vertragsarzt bis zur einer Entscheidung des Berufungsausschusses unternommen hat, um seine Eignung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Tätigkeit durch verändertes Verhalten wiederherzustellen. Um ein Wohlverhalten zu erreichen, muss es gelingen, möglichst jeden durch Tatsachen belegte Zweifel zu zerstreuen, dass tatsächlich eine wirkliche Verhaltensänderung eingetreten ist. Ein wesentlicher Umstand wird dabei typischerweise die Frage der Einsicht des Betroffenen in den Unrechtsgehalt seines Verhaltens und einer hieraus ggf. resultierenden Einstellungs- und Verhaltensänderung für die Zukunft sein.
Die Abläufe rechtskonform aufstellen, richtig gründen, sich vernetzen – und das auch noch unkompliziert? Wie das gelingen kann und welche Lehren man als Zahnarzt oder Kieferorthopäde aus der Corona-Krise ziehen kann, erläutert unser Kollege und Partner Dr. Karl-Heinz Schnieder. Er war zu Gast im Lean Orthodontics Podcast von Dr. Martin Baxmann.
Wir freuen uns, Herrn Maximian Heilig als neuen Rechtsanwalt in unserer Kanzlei begrüßen zu dürfen. Herr Heilig war bereits von Ende 2018 bis Mitte 2020 zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter, später als Rechtsreferendar in der Anwaltsstation bei uns tätig.
Nun konnte er als weitere Verstärkung unseres stetig wachsenden Anwaltsteams gewonnen werden. Für die ersten Schritte als Rechtsanwalt wünschen wir dem Kollegen Heilig alles Gute und freuen uns auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit!
Das Sozialgericht München hat sich mit Gerichtsbescheid v. 21.01.2021 – S 38 KA 165/19 zu der Frage geäußert, welche besonderen Pflichten der (zahn)ärztliche Leiter eines MVZ haben kann und auch persönlich verantworten muss.
Der Fall
Gegen den klagenden
MVZ-Leiter wurde eine Geldbuße in Höhe von 8.000 € zuzüglich einer Gebühr in
Höhe von 900 € verhängt. Grund für diese disziplinarrechtliche Maßnahme war ein
Plausibilitätsverfahren gegen das MVZ (verbunden mit einem Regress i. H. v. ca.
70.000,00 Euro) wegen Patientenidentität mit einem anderen MVZ.
Der Kläger habe, so das Gericht, die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung verletzt. Es gebe viele gemeinsame Patienten. Des Weiteren sei es zu einer Mehrung der Fallzahlen und einer Mehrung der Leistungen gekommen. Bei zwei versorgungsbereichsidentischen MVZ´s liege das Aufgreifkriterium bei 20% Patientenidentität. Überweisungen von einem MVZ in das andere seien in vielen Fällen medizinisch nicht nachvollziehbar. Festzustellen sei eine rechtsmissbräuchliche Doppelbehandlung (zum Beispiel psychotherapeutische Behandlung am selben Tag). Es wurden Pauschalen beider Fachgruppen in Ansatz gebracht. Außerdem sei ein gemeinsames Einlesen der Versichertenkarte festzustellen.
Der Hintergrund und die Begründung
Das Gericht führte in Bezug auf die Verantwortlichkeit des ärztlichen Leiters aus, dass diesem eine besondere Pflichtenstellung hinsichtlich des ordnungsgemäßen Ablaufs der vertragsärztlichen Versorgung im MVZ zukommt und er die Verantwortung für die ärztliche Steuerung der Betriebsabläufe und eine Gesamtverantwortung gegenüber der K(Z)V hat.
Dem MVZ steht ein
ärztlicher Leiter vor, der seinerseits entweder als angestellter Arzt oder als
Vertragsarzt im MVZ tätig sein muss (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.2011, Az B 6 KA
33/10 R).
Das Rechtsinstitut des
MVZ bietet den angestellten Ärzten nicht nur den Vorteil, dass sie anders als
ein zugelassener Vertragsarzt kein unternehmerisches Risiko tragen und zu
vertraglich festgelegten Arbeitszeiten tätig sind, sondern auch, dass für sie
technisch-administrative Aufgaben entfallen. Wie das Landessozialgericht
Nordrhein-Westfalen in seiner Entscheidung (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss
vom 24.02.2016, Az L 11 KA 58/15 B ER) ausführt, korrespondiert der
Verminderung der Verantwortung des einzelnen Arztes „die volle Verantwortung
des MVZ für die korrekte Organisation der Behandlung und für die
Leistungsabrechnung“. Hierbei handle es sich um den Kern der Aufgaben des MVZ.
Diese Aufgaben des MVZs werden in personam des ärztlichen Leiters wahrgenommen.
Dementsprechend ist eine Abrechnungssammelerklärung fehlerhaft, wenn sie vom
ärztlichen Leiter nicht unterschrieben ist. Er garantiert auch mit seiner
Unterschrift, dass die Abrechnungen ordnungsgemäß, d. h. auch vollständig
entsprechend der Leistungslegende erbracht wurden. Daraus folgt, dass der
ärztliche Leiter letztendlich die Gesamtverantwortung
gegenüber der KV für die von den angestellten Ärzten erbrachten Leistungen
trägt.
Nachdem das MVZ nicht
Mitglied der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung wird, sondern nur
natürliche Personen (vgl. § 77 Abs. 3 SGB V), unterfällt es auch nicht der
Disziplinargewalt der Kassenärztlichen Vereinigung. Disziplinarmaßnahmen können
i.d.R. nur gegenüber Mitgliedern der KV verhängt werden. Aufgrund dieser
Zusammenhänge und, da ein ärztlicher Leiter entweder angestellter Arzt im MVZ
oder Vertragsarzt ist, ist ein
disziplinarrechtlicher Durchgriff auf ihn nicht nur zulässig, sondern auch
notwendig (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 27.01.2016, Az
L 12 KA 69/14).
Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Leistungen seien vom ärztlichen Leiter nicht erbracht worden, sondern von den angestellten Ärzten. Zwar sind auch angestellte Ärzte im MVZ Mitglieder der KVB, sodass Pflichtverstöße auch ihnen gegenüber disziplinarrechtlich verfolgt werden können. Aufgrund der Gesamtverantwortung des ärztlichen Leiters eines MVZs, die auch die Richtigkeit der Abrechnung mit umfasst, besteht grundsätzlich keine Notwendigkeit, vorrangig disziplinarrechtlich gegen angestellte Ärzte im MVZ und allenfalls subsidiär gegen den ärztlichen Leiter vorzugehen, auch wenn diese die Leistungen nicht entsprechend der rechtlichen Vorgaben erbracht haben sollten. Das Einstehenmüssen entspricht auch der herausgehobenen Stellung des ärztlichen Leiters eines MVZ´s ähnlich der des Vorstands einer Aktiengesellschaft – Haftung des Vorstands nach § 93 AktG -, in der Regel verknüpft mit deutlich höheren Einkünften. Hinzu kommen auch Praktikabilitätserwägungen bei der Prüfung fehlerhafter Abrechnungen.
Die Folgen
In Verträgen für den
(zahn)ärztlichen Leiter wird häufig am Rande geregelt, dass der (zahn)ärztliche
Leiter für das medizinische Qualitätsmanagement der Patientenversorgung und
Patientenbetreuung verantwortlich sei, er zudem die Richtlinienkompetenz für
die medizinischen Aus- und Fortbildungsinhalte für nichtärztliches Personal
besitze sowie für die Qualitätssicherung und Hygiene des MVZ sowie für die
Einhaltung der Fortbildungsverpflichtung der angestellten (Zahn)Ärzte im Sinne
des § 95d Absatz 5 SGB V verantwortlich sei. Auch die pauschale Regelung, dass
er Dritten gegenüber für die Einhaltung vertrags(zahn)arztrechtlicher Vorgaben
einzustehen habe, ist in der Regel zu finden.
Es zeigt sich, dass der (zahn)ärztliche Leiter gehalten ist und in der Lage sein muss, diese recht umfangreichen Aufgaben, verbunden mit den dargestellten Verantwortlichkeiten, auch tatsächlich zu erfüllen, dies neben seiner med. Arbeit und abgegolten durch ein passendes Gehalt.
Legitim ist es auch, darüber nachzudenken, den (zahn)ärztlichen Leiter jedenfalls im Rahmen des Arbeitsverhältnisses, von Kosten und Schaden freizustellen, die ihn im Falle einer Inanspruchnahme in Bezug auf die Tätigkeit als Leiter, soweit rechtlich zulässig, von Seiten Dritter entstehen.
Unsere Anwaltskollegen Dr. Karl-Heinz Schnieder und Tobias List haben in der Quintessenz einen aktuellen Artikel zur Frage der Entschädigungsansprüche gegen Vater Staat veröffentlicht.
Die Wirtschafts-Woche (Heft 7/2021) hat kwm als Top-Kanzlei für Medizinrecht auf der Seite der (Zahn)Ärzte, Krankenhäuser, Pharmaunternehmen und Versicherungen ausgezeichnet.
Der Kollege Prof. Dr. Jenschke wird darüber hinaus als Top-Anwalt 2021 empfohlen.
Das Handelsblatt befragt jährlich mehr als 500 Medizinrechtler nach den renommiertesten Kanzleien des Rechtsgebiets und lässt eine Auswertung von einer Expertenjury vornehmen.
kwm vereint ausschließlich Spezialisten unter einem Kanzleidach, ist bundesweit tätig und mit 18 (Fach)Anwälten eine der größten Medizinrechtskanzleien.
Unser Team freut sich über die Auszeichnung und das damit verbundene Vertrauen.
Das Verwaltungsgericht Berlin hat zwei Eilanträgen – Beschlüsse der 14. Kammer vom 11. Februar 2021 (VG 14 L 18/21, VG 14 L 20/21) – von Notfallkrankenhaus-Trägerinnen gegen das Verbot, nicht dringliche Behandlungen durchzuführen, stattgegeben.
Die Berliner Gesundheitssenatorin hatte bereits im November 2020 die 38 Notfallkliniken der Stadt angewiesen, nur Akutfälle versorgen. Die entsprechende Krankenhaus-Covid-19-Verordnung stützt sich dabei auf § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1, § 28a Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Nach deren § 6 Abs. 2 Satz 1 dürfen in allen Notfallkrankenhäusern unter Einhaltung der vorgegebenen Reservierungs- und Freihaltequoten nur noch medizinisch dringliche planbare Aufnahmen, Operationen und Eingriffe bei Patientinnen und Patienten durchgeführt werden (Behandlungsverbot).
Hiergegen wandten sich Notfallkrankenhaus-Trägerinnen mit gerichtlichen Eilanträgen. Sie begehrten die Feststellung, dass sie nicht verpflichtet sind, in ihren Krankenhäusern das Verbot nicht dringlicher Behandlungen zu beachten.
Die 14. Kammer des Berliner Verwaltungsgerichts hat den Anträgen auf Erlass einstweiliger Anordnungen stattgegeben.
Nach Mitteilung des Gerichts werde sich Behandlungsverbot in der Krankenhaus-Covid-19-Verordnung w in einem Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit als rechtswidrig und nichtig erweisen, da ihm eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage fehle. Nach Art. 80 Abs. 1 GG könnten durch Bundesgesetz zwar auch Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Die vom Antragsgegner angeführte Ermächtigungsgrundlage (§ 32 Satz 1 i.V.m. §§ 28 Abs. 1, § 28a Abs. 1 IfSG) decke das Behandlungsverbot aber nicht ab. Sie erlaube Schutzmaßnahmen und damit auch den Erlass entsprechender Rechtsverordnungen allein zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten wie Covid-19. Die mit dem Behandlungsverbot angestrebte Sicherstellung ausreichender Kapazitäten für eine stationäre Aufnahme und bedarfsgerechte Versorgung von Covid-19-Erkrankten sei von diesem Ermächtigungszweck nicht mehr gedeckt. Für eine erweiternde Auslegung der Ermächtigungsgrundlage dahingehend, dass auch sonstige in der Pandemielage dem Lebens- und Gesundheitsschutz dienliche Maßnahmen darauf gestützt werden könnten, sei wegen des klaren Wortlauts und systematischen Zusammenhangs der Normen kein Raum. Angesichts der geltend gemachten Einnahmeausfälle der Antragstellerinnen und des ihren Krankenhäusern bei der Abweisung von Patienten drohenden Reputationsverlustes sei schließlich auch der erforderliche Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Die Corona-Pandemie hält an,
Geschäfte schließen, Arbeiten im Home-Office wird für viele zur Normalität,
aber die (Zahn)Arztpraxen sowie Apotheken bleiben grundsätzlich geöffnet. Immer
mehr Praxen und Apotheken sehen sich mit der Herausforderung konfrontiert, auf die
Arbeitskraft einzelner Mitarbeiter wegen behördlicher Maßnahmen nach dem
Infektionsschutzgesetz wie einer Quarantäne oder eines beruflichen
Tätigkeitsverbots zeitweise verzichten zu müssen. Im schlimmsten Fall droht die
zeitweise Schließung der jeweiligen Einrichtung. Der daraus entstehende
finanzielle Schaden ist immens.
Arbeitgebern, die ihren
angestellten Mitarbeitern das Entgelt fortbezahlen, stehen
Entschädigungsansprüche zu, deren Geltendmachung zumindest einen Teil an
Kompensation verspricht.
Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz
Das Infektionsschutzgesetz sieht zunächst
verschiedene Ermächtigungsgrundlagen für Maßnahmen der zuständigen Landesbehörde
vor. Bei den genannten Maßnahmen im Rahmen der Corona Pandemie handelt es sich vor
allem um Schutzmaßnahmen nach §§ 24 ff. IfSG, die der „Bekämpfung“
übertragbarer Krankheiten dienen. Die zuständige Behörde kann gegenüber
Kranken, Krankheitsverdächtigen oder Ansteckungsverdächtigen eine Quarantäne (§
30 IfSG) sowie ein berufliches Tätigkeitsverbot (§ 31 IfSG) anordnen. Außerdem
können entsprechende behördliche Maßnahmen auch aufgrund der Generalklausel des
§ 28 Abs. 1 IfSG vorgenommen werden. Verstöße gegen die behördliche Anordnung
einer Quarantäne oder eines beruflichen Tätigkeitsverbots können nach § 75 Abs.
1 Nr. 1 IfSG strafbar sein.
Der Anspruch auf
Entschädigungszahlungen für Betroffene ergibt sich sodann primär aus § 56 IfSG.
Wichtig: Abhängig vom konkreten Einzelfall können daneben auch
Ersatzansprüche außerhalb des Infektionsschutzgesetzes in Betracht kommen.
Nach § 56 IfSG erhält eine
Entschädigung in Geld, wer als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger,
Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern einem
behördlichen Tätigkeitsverbot oder einer Quarantäne unterliegt oder unterworfen
wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet.
Voraussetzung eines
Entschädigungsanspruchs nach § 56 IfSG ist also zunächst eine rechtmäßige (vor
allem verhältnismäßige) behördliche Anordnung.
Der Wortlaut der Norm zeigt
bereits, dass keine Entschädigung nach § 56 IfSG erfolgt, wenn ein Arbeitnehmer
freiwillig aufgrund eigener Vorsicht dem Arbeitsplatz fernbleibt oder der
Praxis- bzw. Apothekeninhaber seine Praxis freiwillig oder aus anderen Gründen
schließt.
Anspruch auf Entschädigung nach §
56 IfSG haben sowohl Praxis-/Apothekeninhaber als auch das angestellte Personal.
Entschädigungsanspruch für Angestellte
Nach § 56 Abs. 5 IfSG hat bei
einer von der behördlichen Maßnahme betroffenen angestellten Person nicht die
Behörde die Entschädigung in Geld auszuzahlen, sondern der Arbeitgeber. Für
Angestellte wird die Entschädigung dabei für die ersten sechs Wochen in voller
Höhe des Verdienstausfalls gewährt. Die Entschädigung bemisst sich dabei nach
dem Verdienstausfall, der sich nach dem Arbeitsentgelt (netto) berechnet.
Die den betroffenen Arbeitnehmern
ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag von der zuständigen
Behörde erstattet.
Wichtig: Die entsprechenden Anträge des Arbeitgebers müssen innerhalb
von drei Monaten nach dem Ende der angeordneten Quarantäne oder des Verbots der
beruflichen Tätigkeit gestellt werden.
Wird der
entschädigungsberechtigte Angestellte arbeitsunfähig, erkrankt er beispielsweise
während der aufgrund eines Verdachtsfalls angeordneten Quarantäne tatsächlich
an COVID-19, bleibt der Entschädigungsanspruch in der Höhe des Betrages, der
bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit an den Berechtigten auszuzahlen war,
bestehen (§ 56 Abs. 7 IfSG).
Anmerkung: Abgesehen von den genannten Ansprüchen gegen die
zuständige Behörde ist es in vielen Fällen empfehlenswert, zunächst eine
Erstattung der Entgeltfortzahlung für den Zeitraum der quarantänebedingten
Abwesenheit vom Arbeitsplatz im Rahmen des Umlageverfahrens 1 bei der
zuständigen Krankenkasse des Arbeitnehmers zu beantragen.
Entschädigungsanspruch für Selbstständige
Bei Selbstständigen richtet sich –
abgesehen von dem Sonderfall der Existenzgefährdung – die Höhe des
Verdienstausfalls nach dem Einkommenssteuerbescheid. Für Selbstständige gilt
die Besonderheit, dass der Verdienstausfall in diesem Sinne ein Zwölftel des
Arbeitseinkommens nach § 15 SGB IV aus der entschädigungspflichtigen meint. Selbstständige,
deren Praxisbetrieb während der Dauer der behördlichen Maßnahme ruht, erhalten
auf Antrag außerdem zusätzlich die in dieser Zeit weiterlaufenden, nicht
gedeckten Betriebsausgaben erstattet (§ 56 Abs. 4 Satz 2 IfSG).
Unklarheiten wegen aktueller Gesetzesänderungen
Anders als auf vielen ablehnenden
Schreiben der jeweiligen Behörden angegeben, ist nunmehr nach der letzten
Gesetzesänderung des Infektionsschutzgesetzes vom 18.11.2020 gem. § 68 Abs. 1
IfSG für Entschädigungsansprüche nach § 56 IfSG der Verwaltungsrechtsweg
eröffnet. Weil die Übergangsvorschrift des § 77 Abs. 3 IfSG auf die
Vorschriften über das Vorverfahren der VwGO verweist, muss davon ausgegangen
werden, dass abweichend von den vorgelegten Rechtsbehelfsbelehrungen in den
abschließenden Mitteilungen über die Ablehnung der Anträge, ein
Widerspruchsverfahren durchzuführen ist.
Trotz aller Herausforderungen und allem juristischem Durcheinander: Sollten Sie von einer der genannten Maßnahmen betroffen sein, Entschädigungsansprüche geltend machen wollen oder sonstige Fragen rund ums Thema Corona-Pandemie haben, sprechen Sie uns an.
Anfang Oktober 2020 haben die ersten Mitarbeiter am neuen kwm-Standort in Leipzig mit der Arbeit für unsere Mandanten begonnen.
Das Team freut sich, direkt vor Ort die Akteure im Gesundheitswesen auf ihrem (juristischen) Weg kompetent und mit durchdachten Lösungen unterstützen zu dürfen.
Sie finden uns in der
Querstraße 16 04103 Leipzig Telefon + 49 341 6967780
Wir freuen uns über diesen Schritt und die Beratung für unsere Mandantinnen und Mandanten vor Ort und wünschen den Kollegen am neuen Leipziger Standort für den Start alles Gute!