Das Thema der Einbindung weitere Ärzte in die Arztpraxis ist ein regelmäßiges in der anwaltlichen Beratung.
Mit Blick auf häufig angeordnete Zulassungssperren kann nicht ohne Weiteres ein zusätzlicher Versorgungsauftrag eingebunden werden. Die Variante des Jobsharing wiederum ist i. d. R. mit dem Nachteil einer Leistungsbegrenzung in Bezug auf das Budget verbunden. Auch die denkbare Teilung der eigenen Zulassung (2 x 0,5) hat seine Vor- und Nachteile und muss abgewogen werden.
Eine erste, auch zeitnah zu installierende, Zwischenlösung kann in der Einbindung des weiteren Arztes als Entlastungs- oder Sicherstellungsassistent liegen.
1.
Sicherstellungsassistent (bzw. Entlastungsassistent ist ein Arzt, der über die Facharztanerkennung verfügt und im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses bei einem Vertragsarzt tätig wird. Er kann beschäftigt werden, wenn der Vertragsarzt vorübergehend gehindert ist, seinen vertragsärztlichen Pflichten in vollem Umfang nachzukommen. Ein Grund für die Hinderung kann z.B. bei pflegebedürftigen Eltern oder der Erziehung eigener Kinder bestehen. Auch kommt in vielen KV-Bereichen ein Sicherstellungsassistent zur Vertragsanbahnung bei beabsichtigter Kooperation zum Kennenlernen des Praxisbetriebes (sog. Schnupperassistent) in Betracht. Rechtsgrundlage ist § 32 Abs. 2 -4 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV).
2.
Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hatte sich mit Urteil vom 28.10.2020 (L 3 KA 31/20) nun mit der Frage zu beschäftigen, ob Vertragsärzte einen Vertreter oder einen Assistenten während der Erziehung von Kindern beschäftigen dürfen, die das 14. Lebensjahr bereits vollendet haben und im Volksmund als „Jugendliche“ gelten.
Die KV war der Meinung, dass der Begriff des „Kindes“ in § 32 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) in Anlehnung an die Definition in § 1 Abs. 1 des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) zur Abgrenzung vom „Jugendlichen“ nur Personen bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres zu verstehen sei. Da das Kind vorliegend bei Antragstellung bereits 15 Jahre alt gewesen sei, sei es demnach inzwischen als Jugendlicher anzusehen.
3.
Dem folgten auf die Klage der Ärztin weder das Sozial- noch das Landessozialgericht. Zum einen enthielte die Vorschrift Ärzte-ZV eine ausdrückliche Altersbegrenzung nicht. Zum anderen ergebe auch eine jur. Auslegung der Begrifflichkeit „Kind“ nichts Anderes. Primär sei auf die Erziehung des Kindes abzustellen. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch haben die Eltern die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (Personensorge). Die Personensorge umfasst insbesondere die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen. Minderjährig ist das Kind bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs, weil mit diesem Zeitpunkt gem. § 2 BGB die Volljährigkeit eintritt. Bis zu diesem Zeitpunkt sind das Recht und die Pflicht der Eltern, ihre Kinder zu erziehen, gemäß Art 6 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz verfassungsrechtlich geschützt.
Die Möglichkeit, einen Assistenten wegen der Erziehung von Kindern bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres anzustellen, widerspricht auch nicht dem Grundsatz, dass die Beschäftigung von Vertretern und Assistenten nur zur Behebung eines vorübergehenden Entlastungsbedarfs möglich ist. Denn wie die Klägerin zutreffend ausgeführt hat, wird diesem Grundsatz bereits dadurch Rechnung getragen, dass die Beschäftigung von Vertretern und Assistenten gemäß § 32 Abs. 2 S 2 Nr. 2 Ärzte-ZV (grundsätzlich) auf den Zeitraum von max. 36 Monaten begrenzt ist und zwar, jedenfalls nach Meinung des Gerichts, unabhängig von der Zahl der Kinder.
Das Gericht hat die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen.
Nach wie vor verunsichert die Corona-Krise die Wirtschaft. Auf der Hand liegen die wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise: Viele Patienten sind – gerade angesichts der zuletzt wieder enorm gestiegenen Infektionszahlen – nach wie vor zurückhaltend im Hinblick auf die Terminvereinbarung in Zahnarztpraxen, was zu Umsatzeinbußen führt. Unklarheiten bestehen aber nicht nur bei der künftigen Einnahmensituation, sondern vielfach auch praxisintern. Auffällig gehäuft haben sich in den vergangenen Monaten Anfragen zum Thema Freistellung: Wann darf, wann muss ein Arbeitgeber seine Arbeitnehmer in Corona-Zeiten freistellen? Ein Überblick:
1. Grundprinzipien der Freistellung
Ein wesentlicher Eckpfeiler des
Arbeitsrechts besteht in dem Prinzip „Ohne Arbeit kein Geld“. Der Lohnanspruch eines
Arbeitnehmers ist hiernach jedenfalls im Ansatz davon abhängig, ob er für sein
Geld auch gearbeitet hat. Aus diesem Grund hat der Arbeitnehmer aber auch
seinerseits ein berechtigtes Interesse daran, dass ihm Arbeit zugewiesen wird.
Es gibt deshalb nicht nur eine arbeitsvertragliche Pflicht zur Arbeitsleistung,
sondern kehrseitig auch ein Recht auf Arbeit. Dieser Beschäftigungsanspruch bringt
es mit sich, dass ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer nicht willkürlich nach
Hause schicken kann. Eine solche Freistellung von der Arbeitsleistung ist
vorbehaltlich besonderer Absprachen im Arbeitsvertrag nur in
Ausnahmesituationen zulässig, weil ansonsten das Recht des Arbeitnehmers auf
Arbeit beschnitten würde.
Die Beantwortung der Frage, ob eine Freistellung im Einzelfall arbeitsrechtlich vertretbar ist oder nicht, gibt überdies nicht Aufschluss darüber, ob für die Dauer der Freistellung auch das Gehalt zu zahlen ist. Wenn es weder eine gesetzliche noch eine vertragliche Grundlage für die Anordnung einer unbezahlten Freistellung durch den Arbeitgeber gibt, kommt allenfalls eine bezahlte Freistellung in Betracht. Da Befugnisse zur Anordnung einer unbezahlten Freistellung rar gesät sind, erfolgen Freistellungen in den allermeisten Fällen unter Fortzahlung der Vergütung. Hierbei handelt es sich um eine Durchbrechung des Prinzips „Ohne Arbeit kein Geld“, die dadurch zu rechtfertigen ist, dass der Arbeitgeber selbst sich durch die Freistellung der arbeitnehmerseitig angebotenen Arbeitskraft beraubt. Technisch ist insoweit vom Annahmeverzug des Arbeitgebers die Rede.
2. Rechtslage in der Corona-Pandemie
An diesen allgemeinen Maßstäben
sind auch die Entscheidungen über die Freistellung von Mitarbeiterin in der
Corona-Pandemie zu treffen.
Eine wichtige Erkenntnis an dieser
Stelle ist, dass eine unbezahlte Freistellung in nahezu allen Fällen
ausscheiden wird. Die Frage, ob ein Praxisinhaber einen Arbeitnehmer
freistellen kann oder nicht, geht nicht akzessorisch damit einher, ob er dem
Mitarbeiter das Gehalt weiterzahlen muss oder nicht. Auch bei berechtigten
Freistellungen kann der Arbeitnehmer regelmäßig die Zahlung des auf den
Freistellungszeitraum entfallenden Gehalts von seinem Arbeitgeber verlangen.
Die Unterscheidung, ob eine Freistellung rechtmäßig oder rechtswidrig erfolgt,
ist aber dennoch von Bedeutung: Bei einer unberechtigten Freistellung können
nämlich über die Vergütungspflicht hinaus weitere Schadensersatzansprüche des
Arbeitnehmers entstehen. Außerdem kann die unberechtigte Freistellung einen
fristlosen Kündigungsgrund für den Arbeitnehmer und damit das Risiko eines
schnellen Arbeitnehmerverlusts für den Arbeitgeber begründen.
Unter welchen Voraussetzungen aber
darf der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter nun freistellen?
In dieser Hinsicht gibt es leider
keine pauschalen Maßstäbe. Vielmehr muss der Arbeitgeber abwägen, ob im
konkreten Einzelfall ausnahmsweise besondere schutzwürdige Interessen
vorliegen, die den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers überwiegen. Ein
Umstand, der die Freistellung einzelner Mitarbeiter in Corona-Zeiten
rechtfertigen kann, ist die Pflicht des Praxisinhabers, für den Schutz der
weiteren in seiner Praxis beschäftigten Mitarbeiter zu sorgen. Diese können von
ihm verlangen, die nötigen Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um sie vor einer Gefährdung
ihrer Gesundheit zu bewahren. Wenn ein Kollege eine mutmaßliche Gefahrenquelle
darstellt, kann das unter Umständen auch so weit gehen, dass ein Arbeitgeber
einen diesen Angestellten aus Rücksicht auf seine anderen Mitarbeiter
freistellen muss.
Ob diese Entscheidung getroffen werden muss, hängt hierbei von den Details des Einzelfalls ab: Allein die Tatsache, dass ein symptomloser Arbeitnehmer am Wochenende einen Bekannten in einem Corona-Risikogebiet besucht hat, wird die Freistellung kaum rechtfertigen. Das gilt besonders angesichts der Tatsache, dass selbst die Karte der innerdeutschen Risikogebiete sich mittlerweile tiefrot färbt. Anders kann die Lage sein, wenn ein Arbeitnehmer das Wochenende mit einem nachweislich mit dem Corona-Virus infizierten Bekannten verbracht hat und bei der Arbeit über typische Symptome Husten und Geschmacksverlust klagt. Die Freistellungsentscheidung des Praxisinhabers sollte in jedem Fall auf einer sorgfältigen Abwägung der widerstreitenden Interessen beruhen.
RA Björn Papendorf, LL.M. & RA Dr. Maximilian Koddebusch
Die Corona-Krise ist ernst. Im
Stundentakt flattern neue Hiobsbotschaften durch die Newsticker. Maßnahmen, die
noch vor wenigen Tagen in Anbetracht der im deutschen Recht heiligen
Grundrechte undenkbar gewesen wären, werden in diesen Tagen nacheinander
ergriffen. Von Betretungsverboten für Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen über
die flächendeckende Einstellung des Betriebs von Schulen und Kindertagesstätten
bis hin zur nun auch in vielen Teilen der Republik Realität gewordenen
Schließung des Einzelhandels steigt die Eskalationsstufe rasant an.
Auch Ärzte und Zahnärzte sind von der
Frage umtrieben, wie es mit dem Praxisbetrieb weiterlaufen soll. Von einigen
Stellen wird angeraten, die Praxen nur noch phasenweise für Schmerzpatienten
oder Notfälle zu öffnen und sie im Übrigen zu schließen – so exemplarisch am
17.03.2020 von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Berlin.
Kann man solchen Empfehlungen bedenkenlos
folgen? Erhalten die Praxen dann eine Entschädigung? Wie hoch fällt eine solche
gegebenenfalls aus und was ist mit Mitarbeitergehältern? Die Antworten auf
diese Fragen: Ernüchternd.
Empfehlungen von K(Z)Ven oder Kammern
Zuallererst ist festzuhalten, dass weder
die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen noch die Kammern – sei es auf
Bundesebene oder in den einzelnen Regionen – die Befugnis haben,
Praxisschließungen anzuordnen. Vor diesem Hintergrund – und das sei in aller
Deutlichkeit hervorgehoben – ist es sinnlos, sich den Petitionen anzuschließen,
die im Netz verbreitet werden und auf eine Schließungsverfügung der Praxen
durch Kammern oder K(Z)Ven angelegt sind.
Das erste Statement ist also: Selbst wenn
von Seiten der Kammern oder der K(Z)Ven eine Schließung von Praxen empfohlen
werden sollte, handelt es sich hierbei nicht um eine rechtsverbindliche
Anordnung, der ein Praxisinhaber Folge zu leisten hätte.
Freiwillige Praxisschließung
An diese Erkenntnis knüpft nahtlos eine
Folgefrage an: Was geschieht denn, wenn ein Praxisinhaber einer solchen
Empfehlung folgt und seine Praxis vorläufig schließt? Die harte, aber ehrliche
Antwort: Alles bleibt, wie es ist, nur eben ohne Praxiseinnahmen! Da die
Praxisschließung auf einem freiwilligen Entschluss des Praxisinhabers beruht,
ist der Sachverhalt juristisch nicht anders zu beurteilen, als wenn er die
Praxis aus anderen Gründen vorübergehend geschlossen hätte. Daran vermag es
auch nichts zu ändern, dass die Schließungsentscheidung von berufsständischen
Organisationen nahegelegt wurde.
In der Konsequenz bedeutet das: Die
Praxiskosten laufen weiter – insbesondere also Miete, Gehälter oder laufende
Bezugsverpflichtungen –, während auf der Einnahmenseite nur Ebbe zu verzeichnen
ist. Es mag zwar an der einen oder anderen Stelle die Möglichkeit geben,
Zahlungen unter Verweis auf das gleichzeitige Ausbleiben der Gegenleistung zu
verweigern. Insgesamt gilt aber voraussichtlich, um es unabhängig von moralischen
Fragen prägnant auszudrücken: Wer stoppt, verliert!
Praxisschließung infolge behördlicher Anordnung
Auch nach den aktuellsten Erlassen der
Landesregierungen sind Arzt- und Zahnarztpraxen noch verschont geblieben von
Schließungsverfügungen, wie sie etwa den Einzelhandel oder in weitem Umfang
auch den gastronomischen Bereich betreffen. Führt man sich allerdings vor
Augen, wie sich die Ereignisse derzeit überschlagen, lassen sich gerade in Bezug
auf Zahnarztpraxen entsprechende Anordnungen oder jedenfalls
Betriebsbeschränkungen für die Zukunft kaum ausschließen. Was also gälte im
Fall der behördlich angeordneten Praxisschließung?
Zuerst wird man an dieser Stelle anders
als im Hinblick auf die Empfehlungen von berufsständischen Organisationen den
Unterschied zu beachten haben, dass einer solchen Ordnungsverfügung zu folgen
wäre. Ob die Schließung einer Praxis rechtmäßig wäre, steht dabei auf einem
anderen Blatt. Nebenbei: Dasselbe gilt auch für die Schließung lokaler
Geschäfte. Ob die von den Landesregierungen und den örtlichen Ordnungsbehörden
bemühte Rechtsgrundlage in § 28 Absatz 1 des Infektionsschutzgesetzes
ausreichend ist, um die ergriffenen Maßnahmen zu rechtfertigen, ist derzeit
völlig unklar.
Ungeachtet dieser juristischen Frage, die
in der post-Pandemie-Zeit aller Voraussicht nach viele Gerichte beschäftigen
dürfte, kommt es auch hier wieder zum wirtschaftlichen Stillstand der Praxis.
Gibt es denn nun in dieser Konstellation Entschädigungszahlungen?
Bei dieser Fragestellung scheiden sich
derzeit die Geister. Problematisch ist hier vor allem, dass die im
Infektionsschutzgesetz angelegten Entschädigungsansprüche auf die Schließungen
von Betrieben aller Voraussicht nach keine Anwendung finden werden. Der
insoweit maßgebliche § 56 des Infektionsschutzgesetzes findet nämlich
nur Anwendung auf Personen, die als Ausscheider, Ansteckungsverdächtige,
Krankheitsverdächtige als sonstige Träger von Krankheitserregern infektionsschutzrechtlichen
Berufsverboten oder Quarantänisierungen unterworfen werden und dadurch einen
Verdienstausfall erleiden. Ob diese Voraussetzungen im Hinblick auf die
Schließungen von Praxen erfüllt sein werden, obwohl kein persönliches
Berufsverbot und keine Quarantäne angeordnet wurden, ist zumindest fraglich.
In Ansehung dessen ist es umso
gefährlicher, wenn etwa die Kassenärztliche Bundesvereinigung in einem
Hinweisblatt zu Entschädigungsleistungen verlautbaren lässt, dass Ärzte
Anspruch auf Entschädigung hätten, wenn der Praxisbetrieb aus
infektionsschutzrechtlichen Gründen untersagt werde. Solche Aussagen sind in
dieser Pauschalität irreführend, da sie darüber hinwegtäuschen, dass gerade im
Fall der behördlichen Praxisschließung – auch wenn diese auf
infektionsschutzrechtlichen Gründen beruht – der Anspruch auf Entschädigung
keineswegs gesichert ist.
In diesem Dunstkreis sind auch Konflikte
zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern vorprogrammiert: Sind die Gehälter
fortzuzahlen oder ruhen die Ansprüche während der Dauer der
Schließungsanordnung? Die Beantwortung dieser Frage orientiert sich daran, ob
die Schließung von Praxen in das Betriebsrisiko fällt, das der Arbeitgeber zu
tragen hat. Von manchen Stimmen werden Epi- und Pandemien als allgemeine
Gefahrenlagen angesehen, die man mit dem Betriebsrisiko des Arbeitgebers nicht
in Verbindung bringen könne. Die sich hiergegen richtende überwiegende Meinungsströmung
ist, dass die hohe Frequenz potenziell infektiöser Kontakte in der besonderen
Eigenart einer (Zahn-)Arztpraxis angelegt sei. Diese besondere Eigenart rechtfertige
die Zuordnung von Epidemien und Pandemien zum Betriebsrisiko des Arbeitgebers
und damit dessen Pflicht zur Fortzahlung der Gehälter.
Sollten die Behörden
Entschädigungsleistungen in diesen Fällen versagen, lässt sich zwar über die
Geltendmachung von Staatshaftungsansprüchen nachdenken. Bei sämtlichen
Überlegungen wird jedoch zu beachten sein, dass die derzeitigen Maßnahmen den
Staat wirtschaftlich belasten werden, wie wohl keine andere wirtschaftliche
Krise je zuvor. Es wird sich also auch in praktischer Hinsicht erst einmal
zeigen müssen, ob Bund und Länder die erheblichen Forderungen der Betriebe und
Arbeitnehmer – man denke nur beispielhaft an Kurzarbeit, Entschädigungen nach
dem Infektionsschutzgesetz und eventuelle Staatshaftungsansprüche – überhaupt
befriedigen können.
Was ist mit Kurzarbeitergeld?
Der Rettungsanker bleibt für viele Praxen
derzeit das Kurzarbeitergeld. Der Gesetzgeber hat insoweit ein Maßnahmenpaket
geschnürt, mit dem viele Betriebe so unterstützt werden sollen, dass sie
möglichst auf Kündigungen verzichten können.
Zur hintergründigen Erläuterung:
Man spricht von Kurzarbeit, wenn ein
Arbeitgeber infolge eines erheblichen Arbeitsausfalls die Arbeitszeit seiner
Arbeitnehmer und äquivalent hierzu das entsprechende Gehalt den betrieblichen
Anforderungen entsprechend kürzt. Für Arbeitnehmer folgt hieraus oft ein
beträchtlicher Liquiditätseinsturz, den die Sozialleistung „Kurzarbeitergeld“
abfedern soll. Der Arbeitgeber muss das Kurzarbeitergeld für seine Arbeitnehmer
im Vorhinein (!) beantragen. Die Höhe des Kurzarbeitergelds richtet sich nach
der Differenz zwischen dem Nettobetrag, den der Arbeitnehmer normalerweise
erzielt hätte und dem Nettobetrag, den ihm der Arbeitgeber während der
Kurzarbeitsperiode auszahlt. Letzterer Betrag beläuft sich im schlimmsten Fall
auf null Euro, wenn die Kurzarbeit zu einer Verringerung der Arbeitszeit – und
damit des Gehalts – auf null Stunden führt. Das Kurzarbeitergeld deckt
sodann in der Regel 60 % bzw. bei Arbeitnehmern mit Unterhaltspflichten
für Kinder 67 % der durch die Kurzarbeit entstandenen Nettoentgeltdifferenz
ab.
Grundvoraussetzung für die Beantragung von Kurzarbeitergeld ist dabei, dass es im arbeitsrechtlichen Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitsnehmer eine rechtliche Grundlage für die Anordnung der Kurzarbeit gibt. Eine solche kann sich in Betriebsvereinbarungen, Tarifverträgen oder dem jeweiligen Arbeitsvertrag finden. Um betriebsbedingten Kündigungen vorzubeugen wird derzeit aber auch reger Gebrauch von der Möglichkeit gemacht, eine Nachtragsvereinbarung zum bestehenden Arbeitsvertrag abzuschließen, um das Instrument der Kurzarbeit kurzfristig zu etablieren. Der Vollständigkeit halber sei hervorgehoben, dass es noch weitere Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld gibt. Die Darstellung sämtlicher Aspekte würde indessen den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Wenn Sie für Ihre Praxis eine Mitarbeitervereinbarung zur Kurzarbeit benötigen, sprechen Sie uns an oder nutzen Sie unsere Corona-Hotline.
Zu raten bleibt sämtlichen Beteiligten in
diesem Zusammenhang, einen kühlen Kopf zu bewahren und einvernehmlich für jede
Seite erträgliche Verhältnisse zu schaffen.
Fazit
Aus wirtschaftlicher Perspektive sei
nachdrücklich empfohlen, eine Praxis nicht im Sinne einer Kurzschlussreaktion
zu schließen. Der medizinische Sektor ist derzeit noch nicht von hoheitlichen
Anordnungen betroffen, sodass die Entscheidung über eine Schließung bei den
einzelnen Praxisinhabern liegt. Man sollte in diesem Kontext auf keinen Fall
dem Trugschluss unterliegen, etwaige Empfehlungen von Kammern oder
Kassen(zahn-)ärztlichen Vereinigungen seien rechtsverbindliche
Schließungsverfügungen. Leistet man den Empfehlungen Folge, wird man die
wirtschaftlichen Konsequenzen selbst zu tragen haben.
Auch im Übrigen sind die Aussichten auf
Entschädigungsleistungen bei – glücklicherweise noch nicht angedachten –
behördlichen Praxisschließungen unsicher. Ratsam dürfte es sein, im Fall der
Fälle vorsichtshalber Ansprüche auf Entschädigungen bei der zuständigen Behörde
geltend zu machen. Möglicherweise wird die Verwaltungspraxis in diesem Kontext
auch eine großzügige Auslegungsroutine entwickeln. All dies wird abzuwarten
sein.
Vorerst sollte der Gedanke der
Praxisschließung jedoch zunächst durch die Überlegung ersetzt werden, ob
zumindest für Teile der Arbeitnehmer Kurzarbeit angeordnet werden könnte. Die
entsprechenden Gespräche sollten sodann umsichtig und behutsam geführt werden –
Streitigkeiten sind derzeit sicher das Letzte, was man in Anbetracht der
ohnehin schon prekären Lage zusätzlich braucht.
Björn Papendorf, LL.M. Rechtsanwalt | Fachanwalt für Medizinrecht
Das Corona-Virus ist derzeit
allgegenwärtig. Spätestens seitdem Bundesgesundheitsminister Spahn den Beginn
einer Corona-Epidemie verkündet hat und in Norditalien ganze Städte von der
Außenwelt abgeriegelt worden sind, ist auch die deutsche Bevölkerung zumindest
verunsichert. Ein Indikator hierfür sind die in vielen Regionen leergefegten
Regale für Desinfektionsprodukte in Drogerien und Apotheken. Die Verunsicherung
schlägt sich in allen Bereichen des täglichen Lebens nieder und macht auch vor
dem Arbeitsplatz nicht Halt.
Dieser Beitrag soll deshalb einige
Antworten auf juristische Fragen zu den Auswirkungen von Corona auf die
arbeitsrechtlichen Verhältnisse in der Zahnarztpraxis liefern.
Müssen
die Angestellten zum Dienst erscheinen?
Hier lautet die klare Antwort: Ja!
Solange ein Arbeitnehmer nicht krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist, trifft ihn
auch die Pflicht, seine Arbeit zu verrichten. Die diffuse Angst, sich
möglicherweise durch menschliche Kontakte mit dem Corona-Virus zu infizieren,
rechtfertigt das Fernbleiben vom Arbeitsplatz nicht. Auch wenn das
Ansteckungsrisiko zugegebenermaßen in Zahnarztpraxen aufgrund der physischen
Nähe zu Patienten – und insbesondere deren Mündern – höher sein mag als in
anderen Bereichen, rechtfertigt das keine Entbindung von der Arbeitspflicht.
Das gilt sogar dann, wenn ein
Arbeitnehmer sich im Urlaub in China aufgehalten hat und deshalb die
Befürchtung hegt, Virusträger zu sein. Zwar wäre es wünschenswert, wenn ein
Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber über solche Umstände informiert, damit dieser
über eine eventuelle Freistellung des Arbeitnehmers – dazu sogleich – befinden
kann. Wenn die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit aber nicht ärztlich
festgestellt ist, fehlt es an einer Legitimation für das Nichterscheinen. Dann
wiederum steht schnell der Vorwurf der beharrlichen Arbeitsverweigerung im
Raum.
Die Konsequenzen einer solchen
können bekanntlich gravierend ausfallen: Das unentschuldigte Fernbleiben von
der Arbeit kann Grund für eine Abmahnung oder gar für eine außerordentliche
Kündigung durch den Praxisinhaber sein. Diese Situation sollte im Interesse
aller Beteiligter möglichst vermieden werden.
Darf
der Praxisinhaber die Arbeitsleistung ablehnen?
Diese Frage lässt sich auch noch
ein wenig verständlicher formulieren: Darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer,
der im Verdacht steht, unter dem Corona-Virus zu leiden, für einige Tage
freistellen und nach Hause schicken?
Auch diese Frage wird zu bejahen
sein. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auch das Verhältnis des Praxisinhabers
zu den anderen Mitarbeitern einerseits und zu seinen Patienten andererseits
ergänzend zu berücksichtigen. Im Hinblick auf beide Gruppen trifft den
Praxisinhaber eine Rücksichtnahmepflicht, die es ihm gebietet, gesundheitliche
Risiken in seiner Praxis nach Möglichkeit auszuschließen. Wenn nun begründete
Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der betreffende Arbeitnehmer mit dem
Corona-Virus infiziert ist – etwa, weil sich entsprechende Symptome nach einem
Aufenthalt in Asien zeigen –, ist der Arbeitgeber berechtigt, diesen
freizustellen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass insoweit allein eine
bezahlte Freistellung denkbar ist. Eine Freistellung ohne Fortzahlung des
Gehalts kommt dagegen nicht in Betracht.
Arbeitsbedingungen:
Wie viel Schutz muss sein?
Besorgte Arbeitnehmer sind in der
Regel nicht förderlich für das Betriebsklima. Deswegen wird ein Praxisinhaber
schon aus Gründen der Mitarbeiterzufriedenheit darauf bedacht sein, die
erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu beherzigen und die nötigen
Schutzvorkehrungen zu treffen. Der Praxisinhaber hat zu gewährleisten, dass
sein Personal bei ihm sicher arbeiten kann und hierzu für den entsprechenden
Gesundheitsschutz zu sorgen. Daraus folgt auch, dass er als Arbeitgeber die
erforderlichen Mittel bereitzustellen hat, die insbesondere auch persönliche
Schutzvorrichtungen umfassen. Das heißt also: Die obligatorischen
Einmalhandschuhe und Mundschutze für die am Patienten tätigen Mitarbeiter hat
der Praxisinhaber auf eigene Kosten zu beschaffen und deren Nutzung anzuordnen.
Welche Anforderungen an die
erforderliche Schutzausrüstung aber jeweils zu stellen sind, ist gesetzlich
nicht vorgegeben. Klar ist dabei nur, dass die spezifischen Anforderungen in
Relation zu einer größeren Mitarbeitergefährdung ansteigen können. Sofern etwa
ein Patient die Praxis aufsucht, der aufgrund nachvollziehbarer Anhaltspunkte
im Verdacht steht, an COVID 19 – der Erkrankung, die das Corona-Virus auslöst –
erkrankt zu sein, kann das Anlegen besonderer Schutzgegenstände geboten sein.
Insofern wird empfohlen, sich bei
den zuständigen Organisationen ergänzend nach Schutzkleidung und beispielsweise
Typen von Mundschutzen zu erkundigen, die größtmöglichen Schutz gegen die
neuartigen Viren bieten. Kompetente Ansprechpartner sind insoweit das
Robert-Koch-Institut oder die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung;
allerdings dürften auch die Kammern und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen
Hilfestellungen geben können.
Ernstfall
Mitarbeiterquarantäne: Wer zahlt was?
Täglich gibt es Berichte über neu
hinzugekommene Corona-Fälle. Sind einige Bundesländer bislang zwar – vermeintlich
– noch verschont, scheint es in Ansehung der jüngsten Regierungsaussagen und
der aktuellen Risikobewertung des Robert-Koch-Instituts zu COVID 19 (Stand
28.02.2020) nur eine Frage der Zeit zu sein, bis auch dort Infektionsfälle
vermeldet werden.
Zur Vermeidung einer weiteren
Ausbreitung des Corona-Virus werden die Betroffenen bislang regelmäßig unter
Quarantäne gestellt, also etwa in einem Krankenhaus unter besonderen
Schutzvorkehrungen von anderen Menschen abgesondert. Die Quarantäne wird behördlich
auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes angeordnet und ist unbedingt zu
befolgen – sie kann auch erzwungen werden. Sollte die Quarantäneanordnung einen
Mitarbeiter der Zahnarztpraxis treffen, liegt es auf der Hand, dass dieser
nicht zur Arbeit erscheinen kann. Wird er aber für die Fehlzeit bezahlt?
Ja! Inhaltlich ist hier aber noch
zu differenzieren:
Wenn sich die Tests als positiv
erweisen und der Mitarbeiter tatsächlich an COVID 19 erkrankt ist, gelten die
bekannten Grundsätze: Der Arbeitnehmer ist infolge seiner Erkrankung
arbeitsunfähig und wie bei jeder anderen Erkrankung für sechs Wochen fortzubezahlen,
bevor Krankengeld die Lohnfortzahlung ersetzt. Nichts Neues also.
Erfolgt die Quarantäne dagegen zur
Abklärung eines Verdachtsfalls, gelten davon abweichende Sonderregelungen des
Infektionsschutzgesetzes. Das Gesetz sieht hierfür vor, dass dem unter
Quarantäne gestellten Mitarbeiter eine Entschädigung zusteht, die grundsätzlich
der Staat zu zahlen hat. In den ersten sechs Wochen der Quarantäne ist diese
Entschädigung allerdings jeweils in Höhe des Verdienstausfalls vom Arbeitgeber
zu gewähren, danach wird die Entschädigung vom Staat weitergezahlt – die Höhe
orientiert sich dann am Krankengeld.
Wo liegt also der praktische
Unterschied zum Erkrankungsfall? Anders als bei den Regelungen zur
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist es im zweiten Fall so, dass sich der
Arbeitgeber die von ihm gezahlten Entschädigungsanteile in voller Höhe von der
Behörde erstatten lassen kann. Es gibt also einen bedeutenden wirtschaftlichen
Unterschied!
Und
wenn der Praxisinhaber unter Quarantäne gestellt wird?
Wenn der Arbeitgeber dagegen
selbst krankheitsbedingt ausfällt ist, ist die Situation – natürlich rein
wirtschaftlich betrachtet – oft noch weitaus schlimmer sein als bei einem
betroffenen Arbeitnehmer. Gerade in Einzelpraxen droht der gesamte
Praxisbetrieb zum Erliegen zu kommen. Das gilt unabhängig davon, ob die
Krankheit COVID 19 heißt oder ob es sich um eine andere Krankheit handelt.
Wird der Praxisinhaber aber wegen
des Verdachts einer Corona-Infektion unter Quarantäne gestellt, gelten Ähnliche
Vorgaben wie auch beim Arbeitnehmer: Auch er hat Anspruch auf eine
Entschädigung, die sich nach dem Verdienstausfall bemisst. Diese Entschädigung
wird von der zuständigen Behörde gewährt. Bei der Kalkulation des
Verdienstausfalls werden in der Regel die letzten dem Finanzamt übermittelten
Jahreseinnahmen zugrunde gelegt. Daneben besteht im Übrigen auch ein Anspruch
auf Ersatz der während der Quarantänezeit weiterlaufenden nicht gedeckten
Betriebsausgaben, solange diese sich in einem angemessenen Umfang bewegen.
Fazit:
Auch vor Arbeitsverhältnissen
macht das Corona-Virus nicht Halt. Es zeigt sich aber, dass das Arbeitsrecht
und das Infektionsschutzrecht auf den Epidemiefall vorbereitet sind. Hoffen wir
dennoch, dass sich diese „was-wäre-wenn-Fragen“ trotzdem möglichst selten
stellen werden.
In der YouTube-Reihe „Businessdoc – Arzt als Unternehmer“ des A.S.I.-Wirtschaftsberaters und Versicherungsfachmanns Oliver Neumann war vor Kurzem unter Partner RA Björn Papendorf, LL.M. zu Gast. In verschiedenen Beiträgen in Wort und Bild erläutert er dabei einige besonders wichtige medizinrechtliche Aspekte der wirtschaftlichen Betätigung von Ärzten.
Der folgende Beitrag zum Übernahmevertrag kann jedem Arzt oder Zahnarzt ans Herz gelegt werden, der künftig eine Praxis kaufen oder verkaufen möchte. Aber sehen Sie selbst:
Wir wünschen viel Freude beim Anschauen – und viel Erfolg bei Ihren Verhandlungen zum Übernahmevertrag!
Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 23.3.2017 (Az.: 6 AZR 705/15) muss man bei der Abfassung von Arbeitsverträgen auch bei der Formulierung zur Probezeit besondere Vorsicht walten lassen.
Im Rahmen einer Probezeit (von längstens sechs Monaten) kann ein Arbeitsverhältnis nach dem Gesetz ohne weitere Vereinbarung von beiden Seiten mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.
Aber:
Ist in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag in einer weiteren Klausel eine längere Kündigungsfrist festgelegt, ohne unmissverständlich deutlich zu machen, dass diese längere Frist erst nach dem Ende der Probezeit gelten soll, ist dies vom Arbeitnehmer regelmäßig dahin zu verstehen, dass der Arbeitgeber schon während der Probezeit nur mit der vereinbarten längeren Frist kündigen kann. Denn aus Sicht eines Arbeitnehmers lässt eine unpräzise Vertragsgestaltung nicht erkennen, dass der Vereinbarung einer Probezeit eine Bedeutung für Kündigungsfristen zukommt.
Daher droht die Gefahr, dass allein die vertragliche Bestimmung zur Kündigungsfrist nach Ablauf der Probezeit maßgeblich ist Diese Frist gilt dann auch für Kündigungen in der vereinbarten Probezeit, obwohl häufig gewollt ist, dass innerhalb der Probezeit eine kurze Kündigungsfrist gelten soll.
Eine korrekte Formulierung wäre (beispielsweise) daher:
„Innerhalb der Probezeit können beide Seiten das Arbeitsverhältnis mit einer Kündigungsfrist von zwei Wochen kündigen. Nach Ablauf der Probezeit gilt eine Kündigungsfrist von vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats. Die verlängerten Kündigungsfristen und Kündigungstermine gemäß § 622 Abs. 2 BGB gelangen für beide Vertragsparteien zur Anwendung.“
Viele Arbeitgeber wünschen sich für ihre Arbeitnehmer ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot. Dies ist unter engen Grenzen möglich, setzt aber in jedem Fall die Zahlung einer Karenzentschädigung voraus. Dem Arbeitnehmer ist wenigstens die Hälfte seiner letzten Vergütung zu zahlen. Werden die strengen räumlichen, zeitlichen und gegenständlichen Grenzen eines solchen Verbotes überschritten, ist es unwirksam. In der Regel wirkt sich dies dann positiv zugunsten des Arbeitnehmers aus. Seine beruflichen Möglichkeiten werden nicht beschnitten.
Andererseits ist auch der Fall denkbar, dass sich der Arbeitnehmer an ein solches Verbot halten und die Karenzentschädigung kassieren möchte. Fehlt es jedoch an der Vereinbarung einer solchen Zahlungspflicht, wird diese nicht zugunsten des Arbeitnehmers im Wege der Vertragsauslegung ergänzt. Dies hat aktuell das Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 22.03.2017, Az.: 10 AZR 448/15) entschieden und die gegenteiligen Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben. Ein Verbot ist demnach entweder wirksam oder unwirksam. An unwirksame Verbote muss sich der Arbeitnehmer nicht halten, kann dies aber auch nicht freiwillig tun und auf eine Entschädigung hoffen.
Während so einerseits einer Rosinenpickerei berechtigt ein höchstgerichtlicher Riegel vorgeschoben ist, zeigt die Entscheidung andererseits einmal mehr die Notwendigkeit ein guten Beratung im Vorfeld. Wenn Sie bei der Ausgestaltung von Arbeitsverträgen rund um Ihre Praxis Fragen und Ideen haben, helfen wir Ihnen gerne weiter.
Nicht selten kommt es zu dem Fall, dass angestellte Praxismitarbeiter auf Kosten des Inhabers kostenintensive Fortbildungen machen – und wenige Monate später die Praxis verlassen. Um sich im Arbeitsvertrag auch hinsichtlich der Fortbildungskosten von Angestellten abzusichern, gilt es einige Punkte zu beachten.
Das Grundproblem zeigt ein häufiges Praxisbeispiel: Ein Zahnarzt stellte eine Vorbereitungsassistentin an. Vereinbart war, dass er die Kosten für zwei Fortbildungen (Kinderzahnheilkunde und Kieferorthopädie) trägt. Selbstverständlich hatte der Chef Interesse daran, dass seine Mitarbeiterin gute Arbeit auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand leistet. Zudem stellte er die Angestellte für die Fortbildungszeiten von knapp zwei Monaten frei. Gleichzeitig aber schrieb er in den Arbeitsvertrag, dass die Angestellte dann auch fünf Jahre in der Praxis arbeiten müsse – und andernfalls die Kosten an ihn zurückzuzahlen habe.
Bereits drei Monate nach der zweiten Fortbildung verließ die Assistentin jedoch die Praxis. Der Zahnarzt klagte auf Rückzahlung der Fortbildungskosten – und verlor. Die Rückzahlungsklausel war unwirksam. Der Grund ist, dass bereits ein einziger Arbeitsvertrag als „Allgemeine Geschäftsbedingung“ gelten kann. Deshalb müssen solche Klauseln transparent und nicht einseitig belastend sein – das „Kleingedruckte“ muss verständlich bleiben. Die fünfjährige Bindung stellt eine unangemessene Benachteiligung dar, da sie die Berufsfreiheit einschränkt (vgl. auch LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 3.3.2015 – 8 Sa 561/14). Wollen Sie es richtig machen, dann wählen Sie eine flexible Regelung.
Laut Bundesarbeitsgericht (BAG) sind Rückzahlungsvereinbarungen wirksam, wenn die Fortbildungsdauer in einem angemessenen Verhältnis zur Bindungsdauer des Angestellten steht. Dabei hat das BAG folgende Regelungen für wirksam angesehen:
Dauer der Fortbildung in Monaten
Maximale Bindungsdauer in Monaten
bis 1
6
bis 2
12
3 – 4
24
6 – 12
36
24 und mehr
60
Es bietet sich an, die obige Tabelle so in den Arbeitsvertrag mit aufzunehmen, um eine grundlegende Regelung auch für noch nicht absehbare Fortbildungen zu treffen.
Es droht noch ein zweiter Stolperstein. Als Chef dürfen Sie von Ihren Angestellten Fortbildungskosten nicht stets in voller Höhe zurückverlangen, wenn der Arbeitnehmer vorzeitig kündigt. Denn: Arbeitet der Angestellte nur einen Tag nach der Fortbildung in Ihrer Praxis, sind Sie an diesem Tag schon in den Genuss seiner neuen Kompetenz gekommen. Daher ist es empfehlenswert, in den Arbeitsvertrag eine Abstaffelung mit aufzunehmen. Wir empfehlen folgende Musterformulierung:
„Die von dem Arbeitnehmer zurückzuzahlenden Fortbildungskosten vermindern sich innerhalb der laufenden Bindungsdauer für jeden vollen Monat, den der Arbeitnehmer nach dem Ende der Fortbildung das Arbeitsverhältnis fortgeführt hat, um den Kehrwert der Bindungsdauer. Der hiernach verbleibende Restbetrag ist zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur sofortigen Rückzahlung fällig.“
Kostet die Fortbildung 10.000 EUR und dauert einen Monat, besteht eine Bindungsdauer von maximal sechs Monaten. Verlässt der Arbeitnehmer bereits nach zwei Monaten die Praxis, so vermindert sich der Rückzahlungsbetrag um 2/6, also um ein Drittel. Den Rest muss der Arbeitnehmer zurückzahlen.
Die obigen Fallstricke bei Fortbildungsklauseln umgehen Sie durch ein ausgeglichenes Verhältnis von Fortbildungszeit, Vertragslaufzeit und Rückzahlungshöhe.