Noch immer hält die Corona-Pandemie an und noch immer müssen viele Unternehmen ihre Arbeitnehmer in die Kurzarbeit schicken. Wenngleich sich in einigen Branchen Entspannungen ergeben haben, gilt auch in einigen Teilen des Gesundheitswesens diese Situation fort. Die sicherlich intensivste Phase, was die Verhängung von Kurzarbeit in der Pandemie angeht, ist indessen nun ein Jahr her:
Im März, April und Mai 2020 ging eine Art
„Schockstarre“ durch das Gesundheitswesen und auch viele Praxen mussten auf das
Mittel der Kurzarbeit zurückgreifen.
Im Zusammenhang mit diesem
arbeitsrechtlichen Instrument stellen sich eine ganze Reihe an Rechtsfragen.
Eine der pikanteren Fragen dieser Art entschied vor wenigen Wochen das Landesarbeitsgericht
Düsseldorf (Urteil vom 12.03.2021, Az.: 6 Sa 824/20). Nach Ansicht der Richter
dient der Zweck des Bundesurlaubsgesetzes, ggf. in Verbindung mit individuellen
Arbeitsverträgen bzw. tarifvertraglichen Regelungen, gerade dazu, in der Zeit
ohne Arbeit eine Erholung für die Arbeitnehmer zu gewährleisten.
In der Konsequenz führt dies für die Richter dazu, dass jedenfalls bei einer sogenannten „Kurzarbeit Null“ keinerlei Arbeit stattfindet mit der Folge, dass der Erholungszweck des Urlaubs bereits erreicht ist. Die Arbeitnehmer verlieren insofern ihren Urlaubsanspruch. Im Ergebnis heißt dies: Während ein Arbeitnehmer auf „Kurzarbeit Null“ gesetzt wurde, erwirbt er keine Urlaubsansprüche.
Dies können Arbeitgeber nunmehr im
Zweifelsfall bei der Genehmigung von Urlaubsanträgen ihrer Arbeitnehmer
beachten.
Keine Aussage trafen die Düsseldorfer Arbeitsrichter indessen zu der Frage, ob auch bei einer Kurzarbeit, die nicht bei Null liegt, sondern noch eine Rest-Arbeitszeit belässt, eine anteilige Kürzung des Urlaubsanspruchs erfolgen könne. An dieser Stelle sind noch einige Rechtsfragen offen. Aus diesem Grund hat das Landesarbeitsgericht aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Sache auch die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen.
Es steht also zu erwarten, dass hier demnächst noch eine größere Rechtsklarheit durch eine Entscheidung des BAG erfolgen wird. Bis dahin ist es für Arbeitgeber wichtig, um den gekürzten Urlaubsanspruch der auf Null gesetzten Arbeitnehmer zu wissen. Ob Arbeitgeber, deren Arbeitnehmer seit etwa einem Jahr ohnehin von den Folgen der Pandemie betroffen sind, zwingend in jedem Einzelfall auf die Kürzung des Urlaubsanspruchs bestehen müssen, steht indes auf einem anderen Blatt. Die Möglichkeit besteht jedenfalls.
Das Sozialgericht München hat sich mit Gerichtsbescheid v. 21.01.2021 – S 38 KA 165/19 zu der Frage geäußert, welche besonderen Pflichten der (zahn)ärztliche Leiter eines MVZ haben kann und auch persönlich verantworten muss.
Der Fall
Gegen den klagenden
MVZ-Leiter wurde eine Geldbuße in Höhe von 8.000 € zuzüglich einer Gebühr in
Höhe von 900 € verhängt. Grund für diese disziplinarrechtliche Maßnahme war ein
Plausibilitätsverfahren gegen das MVZ (verbunden mit einem Regress i. H. v. ca.
70.000,00 Euro) wegen Patientenidentität mit einem anderen MVZ.
Der Kläger habe, so das Gericht, die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung verletzt. Es gebe viele gemeinsame Patienten. Des Weiteren sei es zu einer Mehrung der Fallzahlen und einer Mehrung der Leistungen gekommen. Bei zwei versorgungsbereichsidentischen MVZ´s liege das Aufgreifkriterium bei 20% Patientenidentität. Überweisungen von einem MVZ in das andere seien in vielen Fällen medizinisch nicht nachvollziehbar. Festzustellen sei eine rechtsmissbräuchliche Doppelbehandlung (zum Beispiel psychotherapeutische Behandlung am selben Tag). Es wurden Pauschalen beider Fachgruppen in Ansatz gebracht. Außerdem sei ein gemeinsames Einlesen der Versichertenkarte festzustellen.
Der Hintergrund und die Begründung
Das Gericht führte in Bezug auf die Verantwortlichkeit des ärztlichen Leiters aus, dass diesem eine besondere Pflichtenstellung hinsichtlich des ordnungsgemäßen Ablaufs der vertragsärztlichen Versorgung im MVZ zukommt und er die Verantwortung für die ärztliche Steuerung der Betriebsabläufe und eine Gesamtverantwortung gegenüber der K(Z)V hat.
Dem MVZ steht ein
ärztlicher Leiter vor, der seinerseits entweder als angestellter Arzt oder als
Vertragsarzt im MVZ tätig sein muss (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.2011, Az B 6 KA
33/10 R).
Das Rechtsinstitut des
MVZ bietet den angestellten Ärzten nicht nur den Vorteil, dass sie anders als
ein zugelassener Vertragsarzt kein unternehmerisches Risiko tragen und zu
vertraglich festgelegten Arbeitszeiten tätig sind, sondern auch, dass für sie
technisch-administrative Aufgaben entfallen. Wie das Landessozialgericht
Nordrhein-Westfalen in seiner Entscheidung (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss
vom 24.02.2016, Az L 11 KA 58/15 B ER) ausführt, korrespondiert der
Verminderung der Verantwortung des einzelnen Arztes „die volle Verantwortung
des MVZ für die korrekte Organisation der Behandlung und für die
Leistungsabrechnung“. Hierbei handle es sich um den Kern der Aufgaben des MVZ.
Diese Aufgaben des MVZs werden in personam des ärztlichen Leiters wahrgenommen.
Dementsprechend ist eine Abrechnungssammelerklärung fehlerhaft, wenn sie vom
ärztlichen Leiter nicht unterschrieben ist. Er garantiert auch mit seiner
Unterschrift, dass die Abrechnungen ordnungsgemäß, d. h. auch vollständig
entsprechend der Leistungslegende erbracht wurden. Daraus folgt, dass der
ärztliche Leiter letztendlich die Gesamtverantwortung
gegenüber der KV für die von den angestellten Ärzten erbrachten Leistungen
trägt.
Nachdem das MVZ nicht
Mitglied der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung wird, sondern nur
natürliche Personen (vgl. § 77 Abs. 3 SGB V), unterfällt es auch nicht der
Disziplinargewalt der Kassenärztlichen Vereinigung. Disziplinarmaßnahmen können
i.d.R. nur gegenüber Mitgliedern der KV verhängt werden. Aufgrund dieser
Zusammenhänge und, da ein ärztlicher Leiter entweder angestellter Arzt im MVZ
oder Vertragsarzt ist, ist ein
disziplinarrechtlicher Durchgriff auf ihn nicht nur zulässig, sondern auch
notwendig (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 27.01.2016, Az
L 12 KA 69/14).
Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Leistungen seien vom ärztlichen Leiter nicht erbracht worden, sondern von den angestellten Ärzten. Zwar sind auch angestellte Ärzte im MVZ Mitglieder der KVB, sodass Pflichtverstöße auch ihnen gegenüber disziplinarrechtlich verfolgt werden können. Aufgrund der Gesamtverantwortung des ärztlichen Leiters eines MVZs, die auch die Richtigkeit der Abrechnung mit umfasst, besteht grundsätzlich keine Notwendigkeit, vorrangig disziplinarrechtlich gegen angestellte Ärzte im MVZ und allenfalls subsidiär gegen den ärztlichen Leiter vorzugehen, auch wenn diese die Leistungen nicht entsprechend der rechtlichen Vorgaben erbracht haben sollten. Das Einstehenmüssen entspricht auch der herausgehobenen Stellung des ärztlichen Leiters eines MVZ´s ähnlich der des Vorstands einer Aktiengesellschaft – Haftung des Vorstands nach § 93 AktG -, in der Regel verknüpft mit deutlich höheren Einkünften. Hinzu kommen auch Praktikabilitätserwägungen bei der Prüfung fehlerhafter Abrechnungen.
Die Folgen
In Verträgen für den
(zahn)ärztlichen Leiter wird häufig am Rande geregelt, dass der (zahn)ärztliche
Leiter für das medizinische Qualitätsmanagement der Patientenversorgung und
Patientenbetreuung verantwortlich sei, er zudem die Richtlinienkompetenz für
die medizinischen Aus- und Fortbildungsinhalte für nichtärztliches Personal
besitze sowie für die Qualitätssicherung und Hygiene des MVZ sowie für die
Einhaltung der Fortbildungsverpflichtung der angestellten (Zahn)Ärzte im Sinne
des § 95d Absatz 5 SGB V verantwortlich sei. Auch die pauschale Regelung, dass
er Dritten gegenüber für die Einhaltung vertrags(zahn)arztrechtlicher Vorgaben
einzustehen habe, ist in der Regel zu finden.
Es zeigt sich, dass der (zahn)ärztliche Leiter gehalten ist und in der Lage sein muss, diese recht umfangreichen Aufgaben, verbunden mit den dargestellten Verantwortlichkeiten, auch tatsächlich zu erfüllen, dies neben seiner med. Arbeit und abgegolten durch ein passendes Gehalt.
Legitim ist es auch, darüber nachzudenken, den (zahn)ärztlichen Leiter jedenfalls im Rahmen des Arbeitsverhältnisses, von Kosten und Schaden freizustellen, die ihn im Falle einer Inanspruchnahme in Bezug auf die Tätigkeit als Leiter, soweit rechtlich zulässig, von Seiten Dritter entstehen.
Unsere Anwaltskollegen Dr. Karl-Heinz Schnieder und Tobias List haben in der Quintessenz einen aktuellen Artikel zur Frage der Entschädigungsansprüche gegen Vater Staat veröffentlicht.
Liebe Leserinnen und Leser, liebe Mandantinnen und Mandanten,
das erste Quartal 2021 verlief mindestens so turbulent wie das vergangene Jahr, Corona sei Dank. Und wie es aussieht, wird diese für niemanden leichte Zeit noch einige Wochen und Monate anhalten.
Jenseits von Praxis und Klinik nahte der Frühling in den letzten Wochen natürlich dennoch mit großen Schritten – und nun steht fest: Das Osterfest ist da. Zeit, sich ein wenig in frühlingshafter Art und Weise zu erholen und die ersten Sonnenstrahlen zu genießen. Auch, wenn dies corona-bedingt nur in allerkleinstem Kreis möglich ist.
Nach Ostern informieren wir Sie an Ort und Stelle wieder in gewohnter Manier zuverlässig über alle für Ärzte und Zahnärzte relevanten Rechtsfragen. Auch folgen bei uns demnächst Neuzugang für unser Anwaltsteam sowie eine komplett neue Kanzleihomepage. Man darf gespannt bleiben.
Bis dahin wünschen wir allen viel Freude beim Eiersuchen und Fastenbrechen!
Die Wirtschafts-Woche (Heft 7/2021) hat kwm als Top-Kanzlei für Medizinrecht auf der Seite der (Zahn)Ärzte, Krankenhäuser, Pharmaunternehmen und Versicherungen ausgezeichnet.
Der Kollege Prof. Dr. Jenschke wird darüber hinaus als Top-Anwalt 2021 empfohlen.
Das Handelsblatt befragt jährlich mehr als 500 Medizinrechtler nach den renommiertesten Kanzleien des Rechtsgebiets und lässt eine Auswertung von einer Expertenjury vornehmen.
kwm vereint ausschließlich Spezialisten unter einem Kanzleidach, ist bundesweit tätig und mit 18 (Fach)Anwälten eine der größten Medizinrechtskanzleien.
Unser Team freut sich über die Auszeichnung und das damit verbundene Vertrauen.
Das Verwaltungsgericht Berlin hat zwei Eilanträgen – Beschlüsse der 14. Kammer vom 11. Februar 2021 (VG 14 L 18/21, VG 14 L 20/21) – von Notfallkrankenhaus-Trägerinnen gegen das Verbot, nicht dringliche Behandlungen durchzuführen, stattgegeben.
Die Berliner Gesundheitssenatorin hatte bereits im November 2020 die 38 Notfallkliniken der Stadt angewiesen, nur Akutfälle versorgen. Die entsprechende Krankenhaus-Covid-19-Verordnung stützt sich dabei auf § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1, § 28a Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Nach deren § 6 Abs. 2 Satz 1 dürfen in allen Notfallkrankenhäusern unter Einhaltung der vorgegebenen Reservierungs- und Freihaltequoten nur noch medizinisch dringliche planbare Aufnahmen, Operationen und Eingriffe bei Patientinnen und Patienten durchgeführt werden (Behandlungsverbot).
Hiergegen wandten sich Notfallkrankenhaus-Trägerinnen mit gerichtlichen Eilanträgen. Sie begehrten die Feststellung, dass sie nicht verpflichtet sind, in ihren Krankenhäusern das Verbot nicht dringlicher Behandlungen zu beachten.
Die 14. Kammer des Berliner Verwaltungsgerichts hat den Anträgen auf Erlass einstweiliger Anordnungen stattgegeben.
Nach Mitteilung des Gerichts werde sich Behandlungsverbot in der Krankenhaus-Covid-19-Verordnung w in einem Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit als rechtswidrig und nichtig erweisen, da ihm eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage fehle. Nach Art. 80 Abs. 1 GG könnten durch Bundesgesetz zwar auch Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Die vom Antragsgegner angeführte Ermächtigungsgrundlage (§ 32 Satz 1 i.V.m. §§ 28 Abs. 1, § 28a Abs. 1 IfSG) decke das Behandlungsverbot aber nicht ab. Sie erlaube Schutzmaßnahmen und damit auch den Erlass entsprechender Rechtsverordnungen allein zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten wie Covid-19. Die mit dem Behandlungsverbot angestrebte Sicherstellung ausreichender Kapazitäten für eine stationäre Aufnahme und bedarfsgerechte Versorgung von Covid-19-Erkrankten sei von diesem Ermächtigungszweck nicht mehr gedeckt. Für eine erweiternde Auslegung der Ermächtigungsgrundlage dahingehend, dass auch sonstige in der Pandemielage dem Lebens- und Gesundheitsschutz dienliche Maßnahmen darauf gestützt werden könnten, sei wegen des klaren Wortlauts und systematischen Zusammenhangs der Normen kein Raum. Angesichts der geltend gemachten Einnahmeausfälle der Antragstellerinnen und des ihren Krankenhäusern bei der Abweisung von Patienten drohenden Reputationsverlustes sei schließlich auch der erforderliche Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Die Corona-Pandemie hält an,
Geschäfte schließen, Arbeiten im Home-Office wird für viele zur Normalität,
aber die (Zahn)Arztpraxen sowie Apotheken bleiben grundsätzlich geöffnet. Immer
mehr Praxen und Apotheken sehen sich mit der Herausforderung konfrontiert, auf die
Arbeitskraft einzelner Mitarbeiter wegen behördlicher Maßnahmen nach dem
Infektionsschutzgesetz wie einer Quarantäne oder eines beruflichen
Tätigkeitsverbots zeitweise verzichten zu müssen. Im schlimmsten Fall droht die
zeitweise Schließung der jeweiligen Einrichtung. Der daraus entstehende
finanzielle Schaden ist immens.
Arbeitgebern, die ihren
angestellten Mitarbeitern das Entgelt fortbezahlen, stehen
Entschädigungsansprüche zu, deren Geltendmachung zumindest einen Teil an
Kompensation verspricht.
Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz
Das Infektionsschutzgesetz sieht zunächst
verschiedene Ermächtigungsgrundlagen für Maßnahmen der zuständigen Landesbehörde
vor. Bei den genannten Maßnahmen im Rahmen der Corona Pandemie handelt es sich vor
allem um Schutzmaßnahmen nach §§ 24 ff. IfSG, die der „Bekämpfung“
übertragbarer Krankheiten dienen. Die zuständige Behörde kann gegenüber
Kranken, Krankheitsverdächtigen oder Ansteckungsverdächtigen eine Quarantäne (§
30 IfSG) sowie ein berufliches Tätigkeitsverbot (§ 31 IfSG) anordnen. Außerdem
können entsprechende behördliche Maßnahmen auch aufgrund der Generalklausel des
§ 28 Abs. 1 IfSG vorgenommen werden. Verstöße gegen die behördliche Anordnung
einer Quarantäne oder eines beruflichen Tätigkeitsverbots können nach § 75 Abs.
1 Nr. 1 IfSG strafbar sein.
Der Anspruch auf
Entschädigungszahlungen für Betroffene ergibt sich sodann primär aus § 56 IfSG.
Wichtig: Abhängig vom konkreten Einzelfall können daneben auch
Ersatzansprüche außerhalb des Infektionsschutzgesetzes in Betracht kommen.
Nach § 56 IfSG erhält eine
Entschädigung in Geld, wer als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger,
Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern einem
behördlichen Tätigkeitsverbot oder einer Quarantäne unterliegt oder unterworfen
wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet.
Voraussetzung eines
Entschädigungsanspruchs nach § 56 IfSG ist also zunächst eine rechtmäßige (vor
allem verhältnismäßige) behördliche Anordnung.
Der Wortlaut der Norm zeigt
bereits, dass keine Entschädigung nach § 56 IfSG erfolgt, wenn ein Arbeitnehmer
freiwillig aufgrund eigener Vorsicht dem Arbeitsplatz fernbleibt oder der
Praxis- bzw. Apothekeninhaber seine Praxis freiwillig oder aus anderen Gründen
schließt.
Anspruch auf Entschädigung nach §
56 IfSG haben sowohl Praxis-/Apothekeninhaber als auch das angestellte Personal.
Entschädigungsanspruch für Angestellte
Nach § 56 Abs. 5 IfSG hat bei
einer von der behördlichen Maßnahme betroffenen angestellten Person nicht die
Behörde die Entschädigung in Geld auszuzahlen, sondern der Arbeitgeber. Für
Angestellte wird die Entschädigung dabei für die ersten sechs Wochen in voller
Höhe des Verdienstausfalls gewährt. Die Entschädigung bemisst sich dabei nach
dem Verdienstausfall, der sich nach dem Arbeitsentgelt (netto) berechnet.
Die den betroffenen Arbeitnehmern
ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag von der zuständigen
Behörde erstattet.
Wichtig: Die entsprechenden Anträge des Arbeitgebers müssen innerhalb
von drei Monaten nach dem Ende der angeordneten Quarantäne oder des Verbots der
beruflichen Tätigkeit gestellt werden.
Wird der
entschädigungsberechtigte Angestellte arbeitsunfähig, erkrankt er beispielsweise
während der aufgrund eines Verdachtsfalls angeordneten Quarantäne tatsächlich
an COVID-19, bleibt der Entschädigungsanspruch in der Höhe des Betrages, der
bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit an den Berechtigten auszuzahlen war,
bestehen (§ 56 Abs. 7 IfSG).
Anmerkung: Abgesehen von den genannten Ansprüchen gegen die
zuständige Behörde ist es in vielen Fällen empfehlenswert, zunächst eine
Erstattung der Entgeltfortzahlung für den Zeitraum der quarantänebedingten
Abwesenheit vom Arbeitsplatz im Rahmen des Umlageverfahrens 1 bei der
zuständigen Krankenkasse des Arbeitnehmers zu beantragen.
Entschädigungsanspruch für Selbstständige
Bei Selbstständigen richtet sich –
abgesehen von dem Sonderfall der Existenzgefährdung – die Höhe des
Verdienstausfalls nach dem Einkommenssteuerbescheid. Für Selbstständige gilt
die Besonderheit, dass der Verdienstausfall in diesem Sinne ein Zwölftel des
Arbeitseinkommens nach § 15 SGB IV aus der entschädigungspflichtigen meint. Selbstständige,
deren Praxisbetrieb während der Dauer der behördlichen Maßnahme ruht, erhalten
auf Antrag außerdem zusätzlich die in dieser Zeit weiterlaufenden, nicht
gedeckten Betriebsausgaben erstattet (§ 56 Abs. 4 Satz 2 IfSG).
Unklarheiten wegen aktueller Gesetzesänderungen
Anders als auf vielen ablehnenden
Schreiben der jeweiligen Behörden angegeben, ist nunmehr nach der letzten
Gesetzesänderung des Infektionsschutzgesetzes vom 18.11.2020 gem. § 68 Abs. 1
IfSG für Entschädigungsansprüche nach § 56 IfSG der Verwaltungsrechtsweg
eröffnet. Weil die Übergangsvorschrift des § 77 Abs. 3 IfSG auf die
Vorschriften über das Vorverfahren der VwGO verweist, muss davon ausgegangen
werden, dass abweichend von den vorgelegten Rechtsbehelfsbelehrungen in den
abschließenden Mitteilungen über die Ablehnung der Anträge, ein
Widerspruchsverfahren durchzuführen ist.
Trotz aller Herausforderungen und allem juristischem Durcheinander: Sollten Sie von einer der genannten Maßnahmen betroffen sein, Entschädigungsansprüche geltend machen wollen oder sonstige Fragen rund ums Thema Corona-Pandemie haben, sprechen Sie uns an.
Liebe Mandantinnen und Mandanten, liebe Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartner,
2020 – ein besonderes Jahr neigt sich dem Ende zu, das sicher in Erinnerung bleiben wird. Das Jahr hat uns alle vor Herausforderungen gestellt und uns Vieles abverlangt. Dennoch blicken wir auch auf schöne und erfolgreiche Momente zurück.
Bei Ihnen als unseren Mandantinnen und Mandanten, Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartnern bedanken wir uns auch auf diesem Wege für das entgegengebrachte Vertrauen im ausklingenden Jahr. Im kommenden Jahr stehen wir ebenso wieder mit Rat und Tat anwaltlich an Ihrer Seite. Wir blicken optimistisch in die Zukunft!
Für das anstehende Weihnachtsfest wünschen wir Ihnen trotz der gegebenen Einschränkungen einige ruhige Tage im Kreise der Familie und gute Erholung. Zudem wünschen wir einen guten Rutsch in ein gesundes und erfolgreiches Jahr 2021.
Mit weihnachtlichen Grüßen Ihr Team der kwm rechtsanwälte
Anfang Oktober 2020 haben die ersten Mitarbeiter am neuen kwm-Standort in Leipzig mit der Arbeit für unsere Mandanten begonnen.
Das Team freut sich, direkt vor Ort die Akteure im Gesundheitswesen auf ihrem (juristischen) Weg kompetent und mit durchdachten Lösungen unterstützen zu dürfen.
Sie finden uns in der
Querstraße 16 04103 Leipzig Telefon + 49 341 6967780
Wir freuen uns über diesen Schritt und die Beratung für unsere Mandantinnen und Mandanten vor Ort und wünschen den Kollegen am neuen Leipziger Standort für den Start alles Gute!
Das Thema der Einbindung weitere Ärzte in die Arztpraxis ist ein regelmäßiges in der anwaltlichen Beratung.
Mit Blick auf häufig angeordnete Zulassungssperren kann nicht ohne Weiteres ein zusätzlicher Versorgungsauftrag eingebunden werden. Die Variante des Jobsharing wiederum ist i. d. R. mit dem Nachteil einer Leistungsbegrenzung in Bezug auf das Budget verbunden. Auch die denkbare Teilung der eigenen Zulassung (2 x 0,5) hat seine Vor- und Nachteile und muss abgewogen werden.
Eine erste, auch zeitnah zu installierende, Zwischenlösung kann in der Einbindung des weiteren Arztes als Entlastungs- oder Sicherstellungsassistent liegen.
1.
Sicherstellungsassistent (bzw. Entlastungsassistent ist ein Arzt, der über die Facharztanerkennung verfügt und im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses bei einem Vertragsarzt tätig wird. Er kann beschäftigt werden, wenn der Vertragsarzt vorübergehend gehindert ist, seinen vertragsärztlichen Pflichten in vollem Umfang nachzukommen. Ein Grund für die Hinderung kann z.B. bei pflegebedürftigen Eltern oder der Erziehung eigener Kinder bestehen. Auch kommt in vielen KV-Bereichen ein Sicherstellungsassistent zur Vertragsanbahnung bei beabsichtigter Kooperation zum Kennenlernen des Praxisbetriebes (sog. Schnupperassistent) in Betracht. Rechtsgrundlage ist § 32 Abs. 2 -4 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV).
2.
Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hatte sich mit Urteil vom 28.10.2020 (L 3 KA 31/20) nun mit der Frage zu beschäftigen, ob Vertragsärzte einen Vertreter oder einen Assistenten während der Erziehung von Kindern beschäftigen dürfen, die das 14. Lebensjahr bereits vollendet haben und im Volksmund als „Jugendliche“ gelten.
Die KV war der Meinung, dass der Begriff des „Kindes“ in § 32 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) in Anlehnung an die Definition in § 1 Abs. 1 des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) zur Abgrenzung vom „Jugendlichen“ nur Personen bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres zu verstehen sei. Da das Kind vorliegend bei Antragstellung bereits 15 Jahre alt gewesen sei, sei es demnach inzwischen als Jugendlicher anzusehen.
3.
Dem folgten auf die Klage der Ärztin weder das Sozial- noch das Landessozialgericht. Zum einen enthielte die Vorschrift Ärzte-ZV eine ausdrückliche Altersbegrenzung nicht. Zum anderen ergebe auch eine jur. Auslegung der Begrifflichkeit „Kind“ nichts Anderes. Primär sei auf die Erziehung des Kindes abzustellen. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch haben die Eltern die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (Personensorge). Die Personensorge umfasst insbesondere die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen. Minderjährig ist das Kind bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs, weil mit diesem Zeitpunkt gem. § 2 BGB die Volljährigkeit eintritt. Bis zu diesem Zeitpunkt sind das Recht und die Pflicht der Eltern, ihre Kinder zu erziehen, gemäß Art 6 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz verfassungsrechtlich geschützt.
Die Möglichkeit, einen Assistenten wegen der Erziehung von Kindern bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres anzustellen, widerspricht auch nicht dem Grundsatz, dass die Beschäftigung von Vertretern und Assistenten nur zur Behebung eines vorübergehenden Entlastungsbedarfs möglich ist. Denn wie die Klägerin zutreffend ausgeführt hat, wird diesem Grundsatz bereits dadurch Rechnung getragen, dass die Beschäftigung von Vertretern und Assistenten gemäß § 32 Abs. 2 S 2 Nr. 2 Ärzte-ZV (grundsätzlich) auf den Zeitraum von max. 36 Monaten begrenzt ist und zwar, jedenfalls nach Meinung des Gerichts, unabhängig von der Zahl der Kinder.
Das Gericht hat die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen.