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FAQ: Geimpft oder nicht geimpft – das ist hier die Frage!

Erst vor wenigen Wochen hat das Bundesverfassungsgericht die grundlegenden gesetzgeberischen Maßnahmen der Vergangenheit zur Eindämmung der Corona-Pandemie in Gestalt des flächendeckenden Lockdowns als grundgesetzkonform abgesegnet. Diesen Rückenwind nutzt nun die Ampel-Koalition, um neuartigen Virusvarianten und hohen Inzidenzwerten mit weiteren Maßnahmen entgegenzutreten.

Die kürzlich noch rigoros und parteiübergreifend abgelehnte allgemeine Impfpflicht ist zwar noch Gegenstand politischer Kontroversen. Was es dagegen bereits gibt, ist bekanntlich die sektorenbezogene Impfpflicht für Unternehmen und Einrichtungen der Gesundheitsbranche. Den grundlegenden Gedanken hinter dieser sektoralen Pflicht skizziert der Gesetzgeber in dem Entwurf des mittlerweile verkündeten Gesetzes zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 folgendermaßen:

„Dem Personal in den Gesundheitsberufen und Berufen, die Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen betreuen, kommt eine besondere Verantwortung zu, da es intensiven und engen Kontakt zu Personengruppen mit einem hohen Risiko für einen schweren, schwersten oder gar tödlichen COVID-19 Krankheitsverlauf hat. Ein verlässlicher Schutz vor dem Coronavirus SARS-CoV-2 durch eine sehr hohe Impfquote bei dem Personal in diesen Berufen ist besonders wichtig, denn so wird das Risiko gesenkt, dass sich die besonders vulnerablen Personengruppen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizieren.“
(Bundestags-Drucksache 20/188, S. 2)


Wenngleich das Gesetz seit dem 12.12.2021 und somit seit mehr als einem Monat gilt, ist die Verunsicherung in Zahnarztpraxen nach wie vor enorm: Welche Auswirkungen sind in meiner Praxis zu erwarten? Kann ich auf andere Impfstoffe warten? Bin ich als Praxisinhaberin für meine Mitarbeiter verantwortlich?

Eines sei vorweggenommen: Ob und inwiefern die in das Infektionsschutzgesetz („IFSG“) implementierten Regelungen verfassungskonform oder grundgesetzwidrig sind, kann nur das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Allein diesem Gericht kommt eine Normenverwerfungskompetenz zu. Angesichts der Tragweite der Vorgaben und der Vielzahl betroffener Grundrechtsträger ist auch davon auszugehen, dass das Bundesverfassungsgericht die Gelegenheit erhalten wird, sich hierzu zu äußern. Bis dahin können jedoch noch einige Monate vergehen. Solange die gesetzlichen Regelungen nicht höchstrichterlich gekippt werden, ist das Gesetz in der Welt und daher auch anzuwenden. Vor diesem Hintergrund tut jeder Zahnarzt gut daran, sich mit dessen Inhalten vertraut zu machen und sich auf dessen Umsetzung vorzubereiten.

Vorbehaltlich der näheren Ausformungen des Gesetzes durch erste arbeits- und verwaltungsgerichtliche Entscheidungen seien zu diesem Zwecke nachfolgend einige Schlaglichter auf sich aufdrängende Fragen geworfen, die in der Beratungspraxis der Verfasser auch bereits regelmäßig gestellt worden sind:

Gilt die Impfpflicht überhaupt für die Zahnarztpraxis?

Ja, unter die in den Geltungsbereich einbezogenen Einrichtungen fallen unter anderem auch Arzt- und Zahnarztpraxen (§ 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. h) IFSG).

Was bedeutet „Impfpflicht“?

Der Alltagsbegriff „Impfpflicht“ ist ein wenig irreführend: Konkret müssen nach den gesetzlichen Vorgaben Personen, die in den Anwendungsbereich des insoweit grundlegenden § 20a Abs. 1 IFSG fallen, „entweder geimpfte oder genesene Personen“ nach näherer Maßgabe der COVID-19-Schutzmaßnahmen Ausnahmenverordnung in deren jeweils geltender Fassung sein. Das gilt dann nicht, wenn eine Person aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus geimpft werden kann. Wegen der Einbeziehung auch genesener Personen liegt eher eine Immunisierungspflicht als eine Impfpflicht vor. Streng genommen ließe sich die Pflicht nämlich auch durch einen fortlaufenden Genesenenstatus erfüllen, was indes die unrealistische Situation ständig wiederkehrender Infektionen voraussetzen würde. Die Impfung ist dagegen der einzige Weg, um die geforderte Immunisierung aktiv ohne Infektionsnotwendigkeit und damit nachhaltig und eigenständig herbeiführen zu können. Aus diesem Blickwinkel betrachtet ist die Verwendung des Begriffs „Impfpflicht“ also wiederum durchaus nachvollziehbar.

Ab wann gilt die Impfpflicht?

Das die Impfpflicht vermittelnde Gesetz ist bereits am 12.12.2021 in Kraft getreten. Jeder, der in einer Gesundheitseinrichtung tätig wird, muss eine geimpfte oder eine genesene Person sein. Diese Regelungswirkung gilt aber erst ab dem 15.03.2022. Ab diesem Tag muss also jeder, der in einer Zahnarztpraxis arbeitet, geimpft oder genesen sein, wenn er nicht ausweislich eines ärztlichen Zeugnisses wegen einer medizinischen Kontraindikation nicht impfbar ist.

Was passiert am 16.03.2022? Dürfen ungeimpfte Personen nicht mehr zum Dienst erscheinen? Muss das Gesundheitsamt einschreiten?

Diese Frage muss differenziert beantwortet werden. Mittlerweile kristallisiert sich eine Auslegung der gesetzlichen Vorschriften als herrschendes Verständnis heraus, die folgende Systematik vorgibt:

a) Neue Tätigkeit

Personen, die ab dem 16.03.2022 neu in einer Zahnarztpraxis tätig werden sollen, dürfen dies nicht ohne Immunisierungsnachweis. Die Impfpflicht jedenfalls in Bezug auf diese Personen ist nach dem Willen des Gesetzgebers als „gesetzliche Tätigkeitsvoraussetzung“ (Bundestags-Drucksache 20/188, S. 40) ausgestaltet. Infolgedessen ist die zugrundeliegende gesetzliche Vorgabe in § 20a Abs. 3, Sätze 4 und 5 IFSG, ganz eindeutig und lässt keinen Spielraum für Interpretationen:

Eine Person, die keinen Nachweis einer Immunisierung und kein ärztliches Zeugnis darüber vorlegt, dass sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden kann, darf nicht in einer Zahnarztpraxis beschäftigt oder tätig werden. Wer über keinen Nachweis verfügt, darf natürlich erst recht nicht tätig werden.

Es bedarf hinsichtlich solcher Personen keiner gesonderten Untersagungsverfügung durch das Gesundheitsamt oder eine sonstige öffentliche Stelle. Die gesetzliche Pflicht wirkt aus sich heraus und muss nicht individuell angeordnet werden. Das heißt im Umkehrschluss, dass die Eingehung von neuen Anstellungsverhältnissen ab dem 16.03.2022 nur dann erfolgen sollte, wenn die einzustellende Kraft über die notwendige Immunisierung verfügt.

b) Vorbestehende Tätigkeit

Anders verhält es sich mit Personen, die bereits vor dem 15.03.2022 in der Zahnarztpraxis beschäftigt waren. Diese Personen müssen der Leitung der Zahnarztpraxis bis zum Ablauf des 15.03.2022 einen entsprechenden Immunisierungsnachweis oder ein Zeugnis über eine medizinische Impfkontraindikation vorlegen.

Legt eine Mitarbeiterin keinen derartigen Nachweis vor, hat eine Praxisinhaberin als Leitung der betreffenden Zahnarztpraxis unverzüglich nach dem Ablauf des 15.03.2022 das lokal zuständige Gesundheitsamt hierüber unter Übermittlung der betreffenden personenbezogenen Daten zu benachrichtigen. Infolge dieser Benachrichtigung kann das Gesundheitsamt selbst Nachweise von dieser Mitarbeiterin anfordern oder, bei Zweifeln an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit an einem ärztlichen Zeugnis über eine Impfungskontraindikation, eine ärztliche Untersuchung zur Überprüfung anordnen. Werden keine Nachweise vorgelegt oder wird der Anordnung zur Vornahme einer ärztlichen Untersuchung nicht Folge geleistet, kann das Gesundheitsamt im nächsten Schritt untersagen, dass die betreffende Mitarbeiterin die Zahnarztpraxis weiterhin betritt oder darin tätig wird.

Die Informationspflicht der Leitung der Zahnarztpraxis gegenüber dem Gesundheitsamt gilt übrigens nicht nur für beschäftigtes Personal, sondern auch für die leitende Praxisinhaberin selbst, weil das Gesetz insoweit lediglich an die Tätigkeit in der Praxis Bezug nimmt und kein Anstellungsverhältnis voraussetzt (s. auch weiter unten).

Reicht eine Erstimpfung für die Erfüllung der Voraussetzungen aus?

Nein, jedenfalls nicht unter Berücksichtigung der bislang zugelassenen Impfstoffe.

Der notwendige Impfnachweis ist nach § 2 Nr. 3 der bereits angesprochenen COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung – leicht verkürzt – ein Nachweis hinsichtlich des Vorliegens eines vollständigen Impfschutzes gegen das Coronavirus, wenn die zugrunde liegenden Schutzimpfungen den vom Paul-Ehrlich-Institut („PEI“) im Benehmen mit dem Robert-Koch-Institut („RKI“) im Internet unter der Adresse www.pei.de/impfstoffe/covid-19 veröffentlichten Vorgaben hinsichtlich der dort näher benannten Kriterien entsprechen. Die Verordnung verweist also explizit auf die Veröffentlichungen auf der vorzitierten Internetseite des PEI.

Die dort hinterlegten Anforderungen für den vollständigen Impfschutz sehen derzeit – Stand 26.01.2022 – ausnahmslos eine zweifache Impfung vor. Die zulässigen Kreuzimpfungen der Impfstoffe verschiedener Hersteller sowie die zu wahrenden Intervallzeiten sind dort ebenfalls veröffentlicht.
Das bedeutet insbesondere für Personen, die derzeit lediglich einmal mit dem Impfstoff des Herstellers Janssen-Cilag/Johson & Johnson geimpft worden sind, dass dieser Impfstatus den rechtlichen Anforderungen nicht mehr gerecht wird. Hierbei handelt es sich um eine kommunikative Kehrtwende, da der Impfstoff dieses Herstellers ursprünglich unter der Prämisse verabreicht worden war, dass eine einmalige Impfung hiermit für die Herstellung des vollständigen Impfschutzes ausreiche.

Muss der Immunisierungsstatus im März 2022 einmalig dokumentiert werden oder handelt es sich um eine laufende Pflicht? Was gilt für genesene Personen?

Die Nachweise, mit denen die Immunisierung einer Person belegt wird, können zeitlich begrenzt werden.

Auf der für die Regelung der Impfung vorgesehenen Internetseite des PEI unter www.pei.de/impfstoffe/covid-19 ist aktuell – Stand 26.01.2022 – lediglich ein Hinweis hinterlegt, dass „noch keine Angaben zu Auffrischimpfungen und entsprechenden Intervallzeiten veröffentlicht“ sind. Es ist aber damit zu rechnen, dass hier in Kürze nähere Informationen publiziert werden, die dann als Richtschnur für die Erforderlichkeit etwaiger weiterer Impfungen gelten.

Mit Blick auf Genesenennachweise sind dagegen gemäß § 2 Nr. 5 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung die Verlautbarungen des RKI unter der Adresse www.rki.de/covid-19-genesenennachweis maßgeblich. Der Genesenenstatus hängt hiernach von dem Datum des positiven PCR-Tests ab. Das Datum der Testabnahme muss mindestens 28 Tage zurückliegen und darf höchstens 90 Tage zurückliegen. Nur innerhalb dieses Zeitkorridors kann man als genesene Person gelten.

Soweit ein Impf- oder Genesenennachweis ab dem 16.03.2022 seine Gültigkeit aufgrund Zeitablaufs verliert, muss innerhalb eines Monats ab dem Ablaufdatum ein neuer Nachweis vorgelegt werden. Dieser Nachweis ist – wie auch der Erstnachweis – bei der Leitung der Zahnarztpraxis einzureichen, die ihrerseits das Gesundheitsamt zu verständigen hat, wenn ein fälliger Folgenachweis nicht binnen der geltenden Monatsfrist vorgelegt worden ist.

Daraus folgt, dass ein Praxisinhaber den Immunisierungsstatus seiner Mitarbeiter stets im Auge behalten muss. Insoweit ist es ratsam, ein Immunisierungsverzeichnis anzulegen und dieses fortlaufend zu aktualisieren.

Kann man auf die Zulassung der angekündigten Totimpfstoffe warten?

Ein solches Warten ist mit Blick auf die klaren gesetzlichen Regelungen hoch risikoreich. Bevor es Totimpfstoffe wie insbesondere derjenige des Herstellers Valneva auf die maßgebliche Veröffentlichungsdomain des PEI schaffen, muss die arzneimittelrechtliche Zulassung erteilt worden sein. Erst wenn die Totimpfstoffe die notwendigen Zulassungsverfahren durchlaufen und formell in die beim PEI geführte Liste aufgenommen worden sind, kann mit ihnen der Impfnachweis erworben werden. Ob und wann die Zulassungen erteilt werden, ist derzeit nicht absehbar. Wenngleich der Hersteller Valneva nach eigenen Angaben mit einer Zulassung noch im ersten Quartal 2022 rechnet, muss der Impfstoff selbst noch geliefert werden. Ferner müssen gegebenenfalls mehrere Impfungen verabreicht werden, bis der vollständige Impfschutz erreicht ist. Auch die für die Impfungen anderer Hersteller vorgesehene „Wirkdauer“ von 14 Tagen nach der Verabreichung der letzten Einzelimpfung dürfte gewahrt werden müssen. Angesichts dieser Unwägbarkeiten kann ein Warten daher dazu führen, dass eine Immunisierung zum 15.03.2022 und damit die Erfüllung der Impfpflicht nicht mehr fristgerecht möglich ist.

Gilt die Impfpflicht nur für Angestellte oder auch für Praxisinhaber?

Auch Inhaber einer zahnärztlichen Praxis unterfallen der Impfpflicht. Die Impfpflicht ist gerade keine arbeitsrechtliche Regelung, sondern eine Vorgabe aus dem Infektionsschutzgesetz. Die Verankerung der Normen im Infektionsschutzrecht zeigt bereits die Zielrichtung: Es geht insoweit um eine Abwehr von Gefahren für die Allgemeinheit. Aus diesem Grund wäre die formale Anknüpfung an das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses nicht sinnvoll gewesen. Folgerichtig muss nicht nur jeder Arbeitnehmer eine geimpfte oder eine genesene Person sein, sondern jede Person, die in einer Zahnarztpraxis ab dem 15.03.2022 tätig wird. Es bedarf also nur eines „Tätigwerdens“ und nicht eines formalen Beschäftigungsverhältnisses. Tätig in diesem Sinne wird auch ein Praxisinhaber.

Hieraus folgt außerdem, dass das Gesetz nur so verstanden werden kann, dass die Pflicht des Praxisinhabers, Informationen über nicht immunisierte Personen, die in seiner Praxis tätig werden, an das Gesundheitsamt zu übermitteln, ihn selbst einschließt. Erfüllt ein Praxisinhaber also selbst nicht die Immunisierungspflicht, hat er auch dies dem Gesundheitsamt mitzuteilen.

Wie verhält es sich mit Dienstleistern und Zahntechnikern?

Auch diesbezüglich gilt, dass die Impfpflicht nicht an das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses anknüpft, sondern an die Tätigkeit in der Zahnarztpraxis. Es ist daher ohne Bedeutung, in welchem Rechtsverhältnis derjenige, der in der Zahnarztpraxis tätig wird, zum Praxisinhaber steht. Hierzu aus der Gesetzesbegründung:


„Die Art der Beschäftigung (Arbeitsvertrag, Leiharbeitsverhältnis, Praktikum, Beamtenverhältnis etc.) ist ohne Bedeutung. Bei den erfassten Personen handelt es sich beispielsweise um medizinisches bzw. Pflege- und Betreuungspersonal […], aber auch andere dort tätige Personen wie zum Beispiel Hausmeister oder Transport-, Küchen- oder Reinigungspersonal. Erfasst sind auch Auszubildende, Personen, welche ihren Freiwilligendienst […] ableisten, ehrenamtlich Tätige, Praktikanten sowie Zeitarbeitskräfte.“ (Bundestags-Drucksache 20/188, S. 38)


Für Zahntechniker ist hierbei zu differenzieren:

In einem Eigenlabor tätige Zahntechniker unterfallen der Impfpflicht ohne Weiteres, da sie als Angestellte eines Praxisinhabers in der Praxis tätig werden. Im zahntechnischen Labor selbst aber gilt die Impfpflicht nicht, sodass ein Zahntechniker, der ausschließlich außerhalb zahnärztlicher Praxen seinen Dienst verrichtet, dem Gesetz nicht unterfällt. Wenn das Eigenlabor von der Zahnarztpraxis räumlich getrennt ist, greift die Impfpflicht nicht, solange der nicht immunisierte Mitarbeiter die Praxisräumlichkeiten nie betritt. Kann dies nicht ausgeschlossen werden, gelten für diesen Mitarbeiter dieselben Regelungen wie für normales Praxispersonal.

Wird ein Zahntechniker aus einem gewerblichen Dentallabor in eine zahnärztliche Praxis eingeladen, um dort Messungen, Farbbestimmungen oder sonstige Maßnahmen am Patienten vorzunehmen, muss dieser Zahntechniker aber – jedenfalls bei Überschreitung einer gewissen Tätigkeitsdauer, vgl. nächste Frage – ebenfalls ab dem 15.03.2022 über einen Immunisierungsnachweis oder ein Kontraindikationsattest verfügen.

Muss also jede Person, die die Praxis betritt, immunisiert sein?

Nein. Die Impfpflicht gilt zum einen nicht für die in der Zahnarztpraxis behandelten Patienten. Zum anderen gibt es eine weitere Einschränkung:
„Erfasst werden nicht nur zeitlich ganz vorübergehend (nicht nur jeweils wenige Minuten, sondern über einen längeren Zeitraum) in den Einrichtungen und Unternehmen tätige Personen“ (Bundestags-Drucksache 20/188, S. 38).

Bezweckt wird mit dieser mehrdeutigen und daher eher unglücklichen gesetzgeberischen Formulierung ein Ausschluss solcher Personen, die – wie zum Beispiel Briefträger, Laborkuriere oder Paketdienste – die Praxis lediglich für wenige Minuten betreten, um dort ihren Verpflichtungen nachzukommen, die diese aber umgehend wieder verlassen.

Ist das Homeoffice eine Alternative?

Wenn sichergestellt ist, dass eine Person ab dem 15.03.2022 ausschließlich aus dem von der Praxis räumlich getrennten Homeoffice arbeitet, wird man diese Person nicht als in einer Zahnarztpraxis tätige Person qualifizieren können. Die Erledigung von in einer Zahnarztpraxis typischerweise anfallenden Arbeiten dürfte jedoch kaum ohne Einschränkungen aus dem Homeoffice heraus möglich sein. Allenfalls für nicht immunisierte Verwaltungs- oder Abrechnungskräfte kann das Homeoffice daher ein Lösungsansatz sein; eine Stuhlassistenz dagegen wird ihre Arbeit schwerlich von zu Hause aus verrichten können. Auch bezüglich solcher Arbeitnehmer, bei denen eine Homeoffice-Tätigkeit grundsätzlich denkbar ist, muss aber gewährleistet sein, dass diese die Praxis fortan nicht mehr betreten, um dort zu arbeiten, da ansonsten auch diesbezüglich die Pflicht zur Information des Gesundheitsamtes greift.

Was passiert mit dem Arbeitsverhältnis von Ungeimpften ab dem 16.03.2022?

Wer keinen Immunisierungsnachweis vorlegen kann, darf ab dem 16.03.2022 nicht mehr neu seine Tätigkeit in einer Zahnarztpraxis aufnehmen. Das dürfte auch für Praxisneueröffnungen gelten, wenn der Inhaber der neu gegründeten Praxis nicht über einen entsprechenden Impfschutz verfügt.

Über Personal, das dem Inhaber einer Praxis keinen Immunisierungsnachweis vorlegt, muss der Praxisinhaber dem Gesundheitsamt Bericht erstatten. Soweit keine behördliche Untersagung der Tätigkeit erfolgt, kann das Anstellungsverhältnis nach Auffassung der Verfasser wie bisher fortgeführt werden. Der betreffende Mitarbeiter erscheint zum Dienst und verrichtet – wie arbeitsvertraglich geschuldet – seine Tätigkeiten. Das ändert aber nichts daran, dass dieser Mitarbeiter seine gesetzliche Immunisierungspflicht verletzt.

Erlässt das Gesundheitsamt wegen dieser Gesetzesverletzung eine Verbotsverfügung gegen den Mitarbeiter, darf dieser – je nach dem konkreten Inhalt der Verbotsverfügung – die Praxis nicht mehr betreten oder darin nicht mehr tätig werden. Hiergegen lässt sich gegebenenfalls verwaltungsrechtlich vorgehen. Da die vorgesehenen Rechtsmittel des Widerspruchs und der Anfechtungsklage aber keine aufschiebende Wirkung gegen das Verbot entfalten, ändert die Einlegung solcher Rechtsmittel nichts an der Geltung der Untersagung, bis diese nicht aufgehoben worden ist.

Das Anstellungsverhältnis wird durch eine solche behördliche Verbotsverfügung zwar noch nicht beendet. Dazu bedürfte es einer Kündigung oder einer sonstigen Beendigung, z.B. durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages. Da arbeitsrechtlich aber der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ gilt, bleibt es nicht nur bei der fehlenden Arbeitsleistung. Der Mitarbeiter erwirbt kehrseitig auch keinen Gehaltsanspruch. Sobald der volle Impfschutz erlangt ist, darf und muss der Arbeitnehmer wieder zur Arbeit erscheinen, wenn das Anstellungsverhältnis nicht zwischenzeitlich beendet worden ist und das Gesundheitsamt infolge der zwischenzeitlich herbeigeführten Immunisierung – was zu erwarten wäre – seine Verbotsverfügung aufhebt.

Droht nicht immunisierten Arbeitnehmern die Kündigung?

Sobald ein Arbeitnehmer mit einem behördlichen Tätigkeitsverbot belegt wird, ist es ihm rechtlich untersagt, seine Tätigkeit weiterhin zu verrichten. Arbeitnehmer, die in der Praxis nicht eingesetzt werden dürfen, sind für einen Arbeitgeber allenfalls kurzfristig tragbar, danach aber nicht mehr.

Da zwischen dem Inkrafttreten des Gesetzes am 12.12.2021 und dem Wirkungsdatum der Impfpflicht am 15.03.2022 ausreichend Zeit für die eigene Immunisierung bleibt, hat es jeder Arbeitnehmer selbst in der Hand, die ab diesem Tag greifende Immunisierungspflicht zu erfüllen. Kommt ein Arbeitnehmer der Immunisierungspflicht nicht nach und erhält er infolgedessen eine behördliche Tätigkeitsuntersagung oder ein Praxisbetretungsverbot, wird der Arbeitgeber kaum um eine Kündigung umhinkommen und juristisch voraussichtlich auch berechtigt sein, eine solche auszusprechen. Insoweit werden jedoch immer die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sein.

Droht eine Sperrzeit für das Arbeitslosengeld?

Es ist durchaus denkbar, dass Arbeitnehmer, die wegen einer nicht fristgerecht herbeigeführten Immunisierung und eines darauf fußenden behördlichen Tätigkeitsverbots gekündigt werden, für den sich an das Ende des Anstellungsverhältnisses anschließenden Bezug von Arbeitslosengeld eine Sperrzeit hinnehmen müssen. Hintergründig ist, dass die ausgesprochene Kündigung im Regelfall eine verhaltensbedingte Kündigung sein dürfte. Da der Arbeitnehmer den Kündigungsgrund durch die Nichtbefolgung der gesetzlichen Frist eigenverantwortlich gesetzt hat, kann sich die zuständige Agentur für Arbeit so positionieren, dass die für solche Fälle vorgesehene Sperrzeit zu verhängen ist.

Welche Maßnahmen drohen bei weiterer Tätigkeit ohne Immunisierung?

Wer in einer Zahnarztpraxis entgegen einer vollziehbaren behördlichen Tätigkeitsuntersagung tätig wird, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die in jedem Einzelfall mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu 2.500,00 € sanktioniert werden kann. Ordnungswidrig handeln überdies auch Praxisinhaber, die es unterlassen, die personenbezogenen Daten der bei ihnen tätigen nicht immunisierten Personen an das Gesundheitsamt weiterzugeben.

Ungeachtet dieser repressiven Dimension potenzieller Sanktionsinstrumente handelt es sich bei den gesetzlichen Verboten und den Anordnungen der Gesundheitsämter um Regelungen aus dem Gefahrenabwehrrecht, deren Einhaltung von der jeweils zuständigen Stelle auch durchgesetzt werden kann. Man spricht diesbezüglich vom Verwaltungsvollstreckungsverfahren, in dem beispielsweise Zwangsgelder verhängt werden können. Die Verwaltungsbehörde kann nach ihrem Ermessen die Ebene rein monetärer Instrumentarien auch verlassen und zur Durchsetzung von Tätigkeitsverboten sogar unmittelbaren Zwang anwenden. Auch eine zwangsweise Praxisschließung erscheint in diesem Lichte durchaus denkbar, wenn der Praxisinhaber selbst Adressat der Verbotsverfügung ist.

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