„Der vom Arzt zu führende Beweis für ein ausreichendes Aufklärungsgespräch erfordert nicht dessen konkrete Erinnerung. Er kann auch durch den Nachweis einer „ständigen Übung“ geführt werden, wenn die Angaben des Arztes hierzu schlüssig sind und durch die Dokumentation im Wesentlichen bestätigt werden.“
Das ist die Kernaussage eines Urteils des OLG Dresden (vom 29.06.2021 – 4 U 1388/20).
Der Patient hatte eine Klinik auf Zahlung von ca. 70.000 Euro verklagt, unter anderem mit dem Argument, er sei nicht hinreichend aufgeklärt worden. Die Klinik konnte hingegen zunächst nachweisen, dass ein Aufklärungsbogen unterzeichnet wurde. Dieser ist sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht ein Indiz für den Inhalt des Aufklärungsgesprächs (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.01.2014 – VI ZR 143/13). Zudem konnte der behandelnde Arzt darstellen, wie er üblicherweise die Aufklärung gestaltet, auch wenn er sich an das konkrete Aufklärungsgespräch nicht mehr erinnern konnte.
Das Gericht führt dazu aus:
„An den Nachweis sind keine unbilligen und übertriebenen Anforderungen zu stellen. Ist einiger Beweis für ein gewissenhaftes Aufklärungsgespräch erbracht, sollte dem Arzt im Zweifel geglaubt werden, dass die Aufklärung im Einzelfall in der gebotenen Weise geschehen ist. (…) Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Beweis hierfür nicht erst dann erbracht, wenn sich der Arzt an das konkrete Aufklärungsgespräch erinnert. (…) Das Gericht kann seine Überzeugungsbildung auch dann auf die Angaben des Arztes über eine erfolgte Risiko- bzw. Eingriffsaufklärung stützen, wenn seine Darstellung in sich schlüssig ist, die entsprechende Aufklärung seiner zum fraglichen Zeitpunkt praktizierten „ständigen Übung“ entspricht und seine Angaben durch die ärztliche Dokumentation im Wesentlichen bestätigt wird.“
Unabhängig davon konnte auch eine sog. hypothetische Einwilligung dargestellt werden. Im Bereich der Arzthaftung entfällt danach die Haftung des behandelnden Arztes im Falle eines (hier schon nicht vorhandenen) Aufklärungsfehlers, wenn der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung dem jeweiligen Eingriff zugestimmt hätte.
Das Gericht führt aus:
„Hat der Arzt substantiiert vorgetragen und dargelegt, dass der Patient bei ordnungsgemäßer Aufklärung den Eingriff in gleicher Weise hätte durchführen lassen, so muss er den ihm obliegenden Beweis erst dann führen, wenn der Patient plausible Gründe dafür darlegt, dass er sich in diesem Fall in einem „echten Entscheidungskonflikt“ befunden hätte.“
Conclusio:
Wieder einmal zeigt sich, wie wichtig in Haftpflichtfragen die Dokumentation auf der einen und ein substantiierter, zielgerichteter Vortrag auf der anderen Seite sind.
Jede Praxisinhaberin, jeder Unternehmer
und letztlich jeder, der Personalverantwortung trägt, kennt das Problem:
Ist man in der Situation, einer
Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter kündigen zu müssen, so steckt der Teufel
im Detail. Ein Thema, das immer wieder Probleme mit sich bringt, ist die
richtige Berechnung der Kündigungsfrist.
Arbeitsverhältnisse sind fristgebunden zu
kündigen – jedenfalls dann, wenn man sie nicht fristlos beendet. Häufig wird
beides auch kombiniert, sodass ein Arbeitgeber in bestimmten Fällen eine
„fristlose, hilfsweise fristgerechte“ Kündigung ausspricht. Stets wird bei der
ordentlichen, also fristgerechten Kündigung der „nächstmögliche Termin“
genannt.
Hier treten häufig Probleme auf. So ist
es gar nicht so einfach, den nächstmöglichen Termin zu berechnen. Was passiert,
wenn der Arbeitgeber in der Kündigung aus Versehen einen späteren Termin als
den tatsächlich nächstmöglichen nennt, hat das Landesarbeitsgericht Hamm nun
entschieden (Urteil vom 16.06.2021, Az.: 10 Sa 122/21):
Aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes ist
ein konkretes Datum, das der Arbeitgeber in der Kündigung nennt, auch dann
maßgeblich, wenn es nicht das korrekt berechnete nächste Kündigungsdatum ist,
sondern einen späteren Zeitpunkt ausweist. Konkret heißt das:
Verrechnet sich der Arbeitgeber aus
Versehen und nennt ein späteres Datum, dann gilt dies. Auch dann, wenn er
eigentlich schreibt, dass er zum nächstmöglichen Termin kündige.
In der oben genannten Entscheidung ging
es um eine Reinigungskraft, die als Haushaltshilfe beschäftigt war und die der
Arbeitgeber aufgrund von vermuteten Diebstahlsdelikten fristlos und hilfsweise
fristgerecht kündigen wollte. Er berechnete die Kündigungsfrist falsch und
benannte den 30.04.2020 als Ende des Arbeitsverhältnisses. Konkret wäre
allerdings bei richtiger Berechnung das Arbeitsverhältnis bereits am 15.03.2020
zu beenden gewesen. Dass es darauf jetzt nicht ankomme, weil der Arbeitgeber
ein konkretes anderes Datum genannt
hat und dieses nun maßgeblich sei, urteilten die Richter vom
Landesarbeitsgericht.
In der Praxis bedeutet dies, dass man die
konkrete Kündigungsfrist stets sorgsam zu berechnen hat. Benennt man gar keine
Kündigungsfrist, also kein konkretes Datum, und gibt nur „zum nächstmöglichen
Termin“ an, dann ist dies auch möglich – wenn man denn zugleich dem
Arbeitnehmer die geltenden gesetzlichen Kündigungsfristen oder die
Kündigungsfristen aus dem Arbeitsvertrag an Ort und Stelle in der schriftlichen
Kündigung erläutert.
Ganz sicher geht hier nur, wer ein konkretes Datum benennt, das auch stimmt. Dazu kann ein Blick in die Regelungen zur Fristberechnung im BGB helfen, die dort in §§ 186 ff. geregelt sind. Wem das zu heikel ist, der kann auch Online-Fristenrechner nutzen, die jedoch nicht selten ebenso unübersichtlich sind. Wer ganz sichergehen will, dass er nicht nur die korrekte Frist berechnet, sondern insgesamt eine wirksame Kündigung zum tatsächlich nächstmöglichen Termin ausspricht, der sollte sich anwaltlichen Rat einholen.
Das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG, bekannt als „Mauracher Entwurf“) wurde am 25. Juni 2021 beschlossen und tritt zum 1. Januar 2024 in Kraft. Die künftigen Änderungen des Gesellschaftsrechts werden auch spannend für bestehende Berufsausübungsgemeinschaften und MVZ oder Ärzte und Zahnärzte, die entsprechende Kooperationen künftig eingehen möchten. Außerdem lohnt es sich auch für Praxisumstrukturierungsbestrebungen und Praxisabgeber, sich frühzeitig mit den neuen Regelungen auseinanderzusetzen.
I. Hintergrund
Anlass war das teilweise noch aus dem 19. Jahrhundert stammende Recht der Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR), das den Interessen und den Bedürfnissen der Praxis schon lange nicht mehr gerecht wurde. In der Praxis waren viele vom Gesetz abweichende Regelungen in Gesellschaftsverträgen notwendig, was zu einer unübersichtlichen Anzahl teilweise divergierender Rechtsprechung führte. Mit dem MoPeG werden bestehende Regelungslücken geschlossen, Rechtsunsicherheiten beseitigt und ein weiteres „Auseinanderfallen“ von Gesetz, Rechtsprechung und gelebter Praxis gestoppt.
II. Die wesentlichen Änderungen für (zahn)ärztliche Kooperationen und Praxisabgabe im Überblick
Die Rechtsfähigkeit der GbR wird auch gesetzlich
anerkannt
Die Rechtsfähigkeit der Außen-GbR wird nun auch im
Gesetz geregelt. Die rechtsfähige GbR wird gesetzlicher Regelfall (und nicht
mehr „Gelegenheitsgesellschaft“), mit der Folge, dass das gesetzliche Leitbild
der GbR ab dem 1. Januar 2024 eine auf Dauer angelegte Gesellschaft
bürgerlichen Rechts ist. Die rechtsfähige GbR ist damit zukünftig auch selbst und
ausschließlich unmittelbare Trägerin des Gesellschaftsvermögens.
Neuregelungen: Informationsrechte, Abfindungsregelungen
bei Ausscheiden eines Gesellschafters und Nachhaftung
Im Regelungssystem der GbR werden künftig eindeutige
Regelungen aufgenommen, in welchem Umfang die einzelnen Gesellschafter
gegenüber der Gesellschaft Informationsrechte haben. Gesellschaftsvertraglich
werden diese Informationsrechte nicht ohne Weiteres zulasten der Gesellschafter
einschränkbar sein.
Neue Abfindungsregelungen werden normiert.
Beachtenswert ist die Regelung, nach der sich die Abfindungshöhe abhängig vom
Wert des jeweiligen Gesellschaftsanteils bestimmt. Dieser Wert wird unmittelbar
vom Unternehmenswert abgeleitet und nicht mehr quotal festgelegt.
Außerdem wird ein Anspruch des ausscheidenden Gesellschafters
auf Befreiung der Haftung für die Gesellschaftsverbindlichkeiten gesetzlich
geregelt.
Die GbR wird eintragungsfähig – eGbR
Es wird die Möglichkeit eröffnet, die GbR in ein neues
Register – ähnlich dem Handels- oder Vereinsregister – eintragen zu lassen. Die
dann eingetragene GbR (sog. eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts) hat
einen Rechtsformzusatz zu führen (eGbR). Die Eintragung erfolgt freiwillig,
wobei mit den Angaben im öffentlich zugänglichen Register ein erhöhtes Maß an
Rechtssicherheit verknüpft ist, das zu entsprechendem Vertrauensschutz führt.
Im Rechtsverkehr muss sich also jeder grundsätzlich darauf verlassen dürfen,
dass die Angaben im Register richtig und vor allem aktuell sind. Nach
einmaliger Eintragung ist eine Austragung nicht mehr möglich. Die Löschung aus
dem Register kann erst bei der Liquidation der Gesellschaft erfolgen.
Um mögliche Haftungsfragen bei einem Abweichen
zwischen tatsächlich vorliegender (gesellschaftsvertraglich geregelter)
Situation und den Angaben im Register aus dem Weg zu gehen, wird nach einer
Eintragung also stets auch eine entsprechende Pflege und Aktualisierung der
eingetragenen Angaben erfolgen müssen.
Umwandlungsrecht gilt für die eGbR
Die eGbR wird auch – anders als die nicht eingetragene
GbR – umwandlungsfähig sein. Sie kann künftig nach Maßgabe des Umwandlungsgesetzes
(UmwG) an einer Spaltung oder Verschmelzung teilnehmen. Die eGbR kann damit
etwa auch direkt in eine GmbH umgewandelt werden. Daraus folgen erhebliche
Erleichterungen bei Praxisumstrukturierungen, bspw. von einer BAG-GbR zu einer
MVZ-GmbH.
Zugang zu den Rechtsformen der OHG, KG,
GmbH& Co. KG auch für freie Berufe
Zukünftig dürfen nicht nur „Kaufleute“ die
Rechtsformen der OHG, KG, GmbH& Co. KG wählen. Auch die freien Berufe
sollen sich grundsätzlich zu diesen Gesellschaften zusammenschließen können (§§
107 Abs. 1,161 Abs. 2 HGB-E, vgl. hierzu insb. die Gesetzesbegründung,
BT-Drucks. 19/27635 S. 223 f., 251 f.).
An dieser Stelle und bei der Frage nach der
praktischen Umsetzung gilt jedoch das Zusammenspiel der
gesellschaftsrechtlichen mit den entsprechenden vertrags(zahn)arzt- und vor
allem berufsrechtlichen Regelungen zu beachten. Die Öffnung zu den genannten
Rechtsformen für (Zahn)Ärzte ist letztlich nur dann möglich, wenn das Vertrags(zahn)arzt-
und insbesondere das landesrechtliche Berufsrecht diese zulässt. In diesem
Zusammenhang wird die Frage zustellen sein, inwiefern es mit dem Grundgedanken
des freien (zahn)ärztlichen Berufs vereinbar ist, den Zusammenschluss als OHG,
KG oder GmbH& Co. KG zu erlauben.
Ob also die (gesellschaftsrechtliche) Öffnung der Rechtsformen der OHG, KG, GmbH& Co. KG für freie Berufe künftig auch für (Zahn)Ärzte in der Praxis tatsächliche Relevanz entfalten kann, hängt im Wesentlichen von der Entwicklung der vertrags(zahn)arzt- sowie berufsrechtlichen Regelungen ab. Sollte vor allem das standesrechtliche Leitbild des (zahn)ärztlichen Berufs auch dahingehend eine Entwicklung erfahren, würde die Öffnung dieser Rechtsformen für die (zahn)ärztlichen Praxisstruktur erhebliche (steuer-)rechtliche Möglichkeiten – vor allem bei der Praxisabgabe – mit sich bringen.
III. Fazit
Ärzte und Zahnärzte sind weiterhin unter Beachtung der
vertrags(zahn)arzt- und berufsrechtlichen Vorgaben frei bei der Ausgestaltung
ihrer Kooperation. Aufgrund der Gesetzesänderungen ergeben sich nunmehr sogar
erheblich mehr (rechtliche) Gestaltungsräume im Hinblick auf
Kooperationsvorhaben, Praxisumstrukturierungen und Nachfolgeplanungen, die
entsprechend – schon jetzt – antizipiert werden sollten.
Bestehende Gesellschaftsverträge gelten insofern weiter.
Anlässlich der anstehenden Reform bieten sich aber jedenfalls eine
Compliance-Prüfung und ggf. eine Anpassung der vertraglichen Bestimmungen an.
Sollten Sie Fragen zu der Reform
des Personengesellschaftsrechts im Allgemeinen und vor allem zu künftigen
Kooperations- und/oder Praxisabgabeentscheidungen haben, können Sie sich gerne
jederzeit bei Ihren kwm-Rechtsanwälten
melden. Wir helfen gerne!